Saarland, Dreiländereck, Blick von Perl auf die Mosel (Foto: SR/Heitz)

Homeoffice als Chance fürs ländliche Saarland?

Sandra Schick   15.11.2020 | 08:30 Uhr

Corona hat bundesweit für einen Innovationsschub beim Thema Homeoffice gesorgt. Und auch nach der Pandemie werden wohl immer mehr Arbeitnehmer zumindest in Teilen ortsunabhängig arbeiten können. Die spannende Frage: Bietet das Chancen für eine ländliche Region wie das Saarland?

Was vor Corona in vielen Unternehmen die Ausnahme war, ist heute vielfach „der neue Alltag“: Mobiles Arbeiten und Homeoffice haben Einzug gehalten. Während der ersten Welle der Pandemie arbeitete nach Angaben des Branchenverbandes Bitkom jeder zweite Berufstätige ganz oder zumindest teilweise im Homeoffice. Und in vielen Firmen steht jetzt schon fest: Auch nach Corona wird es deutlich mehr Homeoffice geben als bisher. Auch im Saarland haben das verschiedene Unternehmen gegenüber SR.de berichtet.

Haus im Grünen als neues Ideal?

Gleichzeitig hat durch Corona die eigene Wohnsituation an Bedeutung gewonnen. Weltweit zog es die Menschen aus den Megastädten raus aufs Land. In Zeiten des Lockdowns wurde das Haus mit Garten im Grünen plötzlich wieder deutlich attraktiver als die kleine Stadtwohnung. Wird also die Beziehung zwischen Wohnort und Arbeitsort künftig eine andere sein?

Saarland stark von Abwanderung betroffen

Über lange Zeiträume verließen Menschen ländliche Regionen, um zum Arbeiten in Städte zu ziehen. Der Wohnort wurde danach ausgewählt, wo es die passende Arbeit gab. Auch das Saarland war und ist davon massiv betroffen, bestätigt Clemens Zimmermann, Professor für Kulturgeschichte und Experte für Stadt-Land-Beziehungen an der Saar-Uni.

„Die Abwanderung aus dem Saarland hatte in der Vergangenheit und hat auch aktuell vor allem berufliche Gründe.“ Bestimmte qualifizierte, akademische Positionen und Berufsfelder stünden hier einfach nicht zur Verfügung. „Auch das Einkommensniveau ist in anderen Bundesländern höher.“ Gleichzeitig seien dort dann aber die Immobilienpreise höher.

400 Kilometer pro Woche

Auch Pendler Marc S. aus Saarbrücken hat vor 20 Jahren einen Job in Stuttgart angenommen, weil es im Saarland keine vergleichbare Position gab. Ganz wegzuziehen kam für ihn aber im Gegensatz zu vielen anderen nie in Frage. "Mein Lebensmittelpunkt sollte immer im Saarland bleiben." Das Saarland sei seine Heimat, hier fühle er sich am wohlsten.

Viele Jahre sah deshalb der Alltag des 51-Jährigen so aus: Er fuhr Sonntagsabends oder Montagsmorgens die rund 200 Kilometer nach Stuttgart, blieb die ganze Woche und fuhr Freitagsnachmittags wieder zurück ins Saarland zu seiner Familie. Erst durch das coronabedingte Homeoffice hat sich das geändert.

Die Frage: Wenn Homeoffice sich auch langfristig nach Corona etabliert - kann das eine Trendwende für den ländlichen Raum sein? Würden sich dann mehr Menschen für ein Leben im Saarland entscheiden?

Corona befeuert Träume vom Landleben

Dr. Ariane Sept vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung forscht zu Wechselbeziehungen zwischen Städten und Regionen. Sie sagt, eine leichte Trendwende sei bereits seit Jahren sichtbar. „Es gibt nach wie vor natürlich genug Menschen, die die ländlichen Räume verlassen. Aber wir sehen schon seit einigen Jahren die Tendenz, dass es eben auch Menschen gibt, die ortsunabhängig arbeiten und das tun sie gerne und auch freiwillig im peripheren Raum.“

In der Coronakrise habe man gesehen, dass Menschen, die schon länger mit dem Gedanken an einen Umzug aufs Land gespielt haben, sich gedacht hätten: „Vielleicht ist das ja jetzt der Moment.“

Mit der Internetverbindung steht und fällt alles

„Für Menschen, die sowieso schon ortsunabhängig arbeiten, ist es quasi egal, ob sie jetzt in der Großstadt sitzen oder auf dem Land – die brauchen nur eine schnelle Internetverbindung“, so Sept. Breitband sei ein zunehmend wichtiger Standortfaktor. „Damit steht und fällt einfach alles.“ Wenn Dörfer von dem Trend profitieren wollten, stehe das Thema an vorderster Stelle.

Gleichzeitig gebe es aber eine ganze Reihe weiterer Faktoren, die vor allem die Politik beeinflussen könne: Attraktiver Wohnraum auf dem Land, gute Verkehrsanbindungen sowie Schulen und Kindergärten mit langen Öffnungszeiten. Aber auch die menschliche Komponente sei entscheidend: Es brauche „eine Art ländliche Willkommenskultur“, so Sept.

Landkinder zurückgewinnen

Und dann gibt es da noch die Menschen, die eigentlich vom Land kommen, es aber aus beruflichen Gründen verlassen mussten. Ariane Sept hält wenig davon, dafür sorgen zu wollen, dass junge Menschen nicht aus den Dörfern weggehen. "Es spricht ja nichts dagegen, dass man für Ausbildung und Studium erstmal weggeht." Die interessante Frage sei aber: "Was muss passieren, damit sie auch wieder zurückkommen?" Diese Landkinder seien eine ganz wichtige Zielgruppe, die man adressieren müsse.

Kann für diese Gruppe der Wandel beim mobilen Arbeiten den Ausschlag geben wieder in die ursprüngliche Heimat, das Saarland, zurückzukommen?

Hohe Pendelbereitschaft der Saarländer

Es gibt zumindest einen weiteren Anhaltspunkt der dafür spricht: „Die Saarländer nehmen durchaus weite Pendelentfernungen in Kauf“, sagt Clemens Zimmermann.

„Das ist übrigens nichts Neues, schon zur Zeit der Industrialisierung pendelten die Männer oft weitere Strecken zum Beispiel aus dem Nordsaarland, um in den Bergbaugebieten, die eher im Süden lagen, zu arbeiten. Dort waren sie häufig wochentags in speziellen Unterkünften untergebracht und pendelten am Wochenende zurück zur Familie aufs Land.“

Bis heute gebe es im Saarland enorm hohe Pendlerzahlen, verbunden mit der höchsten Pkw-Dichte bundesweit. „Die hohe Bereitschaft der Saarländer, weite Entfernungen zur Arbeit zurückzulegen, ist also geblieben“, so Zimmermann.

Pendler froh über Ausweitung des Homeoffice

Davon kann auch Marc S. aus langjähriger Erfahrung sprechen. Nach 19 Jahren des Pendelns hat erst die Corona-Pandemie die Kehrtwende gebracht. Seitdem arbeitet er zu 100 Prozent im Homeoffice - und findet das nur positiv: 400 Euro Benzinkosten spart er im Monat, ebenso vier bis fünf Stunden Fahrzeit pro Woche.

"Man hat viel mehr Freizeit", sagt er. Auch kann er sich die Arbeitszeit zuhause recht frei einteilen. Ginge es nach ihm, könnte das Homeoffice auch nach Corona gerne weiter bleiben. "Je mehr Zeit ich hier im Saarland sein kann, desto besser."

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