Gefährlicher Druck: Tierärzte auch im Saarland arbeiten am Limit
Tierärztinnen und -ärzte tragen eine große Verantwortung – für Tierhalter sind sie die erste Anlaufstelle und oft die letzte Hoffnung. Entsprechend emotional geht es im Arbeitsalltag der Mediziner zu. Doch das kann gefährliche psychische Erkrankungen zur Folge haben.
Tierärztinnen und Tierärzte leiden besonders häufig unter psychischen Belastungen, die teilweise zu Depressionen oder gar zu Suizidgedanken führen. Das geht unter anderem aus einer Studie des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim und einer Studie der Freien Universität Berlin und des Universitätsklinikumgs Leipzig hervor.
Auch Arnold Ludes von der Tierärztekammer des Saarlandes bestätigt, dass das Phänomen seit Jahren bekannt ist – auch im Saarland. Für die anhaltende psychische Belastung sieht er mehrere Ursachen.
Emotionale Bindung zu den Tieren
Einer der Gründe sei, dass Tierärzte teilweise über Jahre die Tiere begleiten und ihnen zum Schluss oft nicht mehr helfen können. Die letzte Möglichkeit ist die Einschläferung, was sowohl für den Tierarzt als auch die Tierhalter eine sehr emotionale Situation sei. Den Ärzten werde in diesen Situationen viel abverlangt, erklärt Ludes.
So müssten sie selbst die Tötung des Tieres, zu dem sie über die Jahre selbst eine Bindung aufgebaut haben, verarbeiten und gleichzeitig mit den emotionalen Reaktionen der Tierbesitzer umgehen und ihnen Trost und Empathie spenden.
Hohes Arbeitspensum wegen Tierärztemangel
Darüber hinaus sind Tierärzte häufig ohnehin überlastet, denn ein weiteres Problem besteht laut Ludes darin, dass es zu wenig Tierärzte gibt, um den Bedarf zu decken. „Wir haben einen ausgeprägten Tierärztemangel und das führt zu großem Stress bei den bestehenden Ärztinnen und Ärzten“, betont er.
Dadurch müssten viele Termine entsprechend der medizinischen Dringlichkeit priorisiert werden, was wiederum die Unzufriedenheit der Besitzer verstärke. Besonders in Randzeiten sei es häufig schwierig für Tierhalter, einen Termin zu bekommen – selbst in Notfällen.
Tierhalter machen Druck und zeigen wenig Verständnis
Aufgrund der Versorgungsengpässe seien Tierhalter häufig angespannt, zumal medizinische Sorgen ohnehin ein emotionales Thema seien. Einige verhielten sich dann unangemessen und teilweise aggressiv gegenüber den Tierärzten, was deren Stress zusätzlich erhöhe, erklärt Ludes. Der Tierarzt fühlte sich so nicht wertgeschätzt.
Gleichzeitig hätten Tierhalter höhere Erwartungen an die Ärzte als früher, denn die Tiermedizin habe in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Doch die Behandlungen sind zum Teil sehr teuer und nicht alle Tierhalter können diese bezahlen.
"Wie werben immer für Krankenversicherungen für Tiere, aber da gibt es auch große Unterschiede", erklärt Ludes. So werden je nach Versicherung unterschiedliche Leistungen übernommen. Zum Teil sind Haustierhalter auch unsicher, ob sich die Krankenversicherung ihres Tieres lohnt.
Tierärztemangel muss europäisch gelöst werden
Um zumindest die Arbeitsbelastung zu reduzieren, müssen also mehr Tierärzte her. "Der Tierärztemangel ist kein saarländisches, auch kein deutsches, sondern ein europäisches Problem", erklärt Ludes. Man habe viel Zeit und Energie in eine europaweite Harmonisierung des Veterinärmedizinstudiums investiert. Inzwischen sei es möglich, jeden Veterinärmedizin-Abschluss, der innerhalb der Europäischen Union erworben wurde, auch in anderen Mitgliedsstaaten anerkennen zu lassen.
Doch es gebe schlicht zu wenig Studienplätze für den europäischen Bedarf an Tierärztinnen und Tierärzten. Teil der Lösung müsse demnach sein, die Zahl der Studienplätze an den Universitäten zu erhöhen, oder neue Unis für Veterinärmedizin zu eröffnen. Beispielsweise könne im Saarland oder in der Grenzregion eine zusätzliche Universität eingerichtet werden, an der Studierende aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg gemeinsam studieren könnten, schlägt Ludes vor.
Zukunftskommission sucht Lösungen für die Belastung
Eine kurzfristige Hilfe für psychisch belastete Ärzte soll eine bundesweite Hotline des Vereins "Vethilfe" bieten, die ab dem Sommer zur Verfügung stehen soll. Hier können sich Betroffene melden und – ähnlich wie bei der Seelsorge – von ihren Erfahrungen und Problemen erzählen. Bei der Hotline sollen Personen arbeiten, die ebenfalls tiermedizinisch geschult sind und Erfahrungen mit den beruflichen Herausforderungen haben.
Weitere Lösungen für die Berufsgruppe der Tierärzte werden derzeit von einer Zukunftskommission erarbeitet, die von der Bundestierärztekammer eingerichtet wurde. In der siebenköpfigen Kommission sitzt auch die saarländische Tierärztin und Mitglied der Tierärztekammer des Saarlandes, Susanne Hofstetter. Erste Ergebnisse der Kommission sollen im Oktober bekanntgegeben werden.