Flüchtlingslager Moria vor dem Brand 2020 (Foto: picture alliance/dpa | Angelos Tzortzinis)

Was Menschen in Flüchtlingslagern zu sagen haben

Tobias Seeger / Onlinefassung: Christian Leistenschneider   14.01.2021 | 21:58 Uhr

Das Thema Flüchtlinge ist in den Medien längst nicht mehr so präsent wie noch vor Jahren, die Situation in den Lagern gerät schnell in Vergessenheit. Zwei Saarländer wollten das nicht akzeptieren und haben an Europas Außengrenze einen Dokumentarfilm gedreht. Der soll vor allem junge Menschen aufmerksam machen - mit durchaus ungewöhnlichen Methoden.

Als es brannte, erlangte das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos im vergangenen Jahr eine Zeit lang traurige Berühmtheit. Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach damals von einer humanitären Katastrophe. Katastrophal waren die Lebensbedingungen dort aber auch schon vor dem Feuer. Nur bekam das in Europa kaum jemand mit. Und Moria ist nur eines von vielen Lagern an den Außengrenzen der EU. Allein in Griechenland leben über 115.000 Menschen in völlig überfüllten Camps.

Deren Leid wollen Christoph Dillenburger und Tibor Sprick aus Saarbrücken sichtbarer machen. Im Juni vergangenen Jahres machten sich die beiden gemeinsam mit zwei Freunden und einem Kameramann auf den Weg nach Griechenland. Dort drehten sie einen Dokumentarfilm, den sie gegen Ende des Jahres auf YouTube veröffentlichten.

Filmen ohne Drehgenehmigung

Die Hauptzielgruppe, die sie mit der Doku erreichen wollen, ist "klar unsere junge Community", sagt Christoph Dillenburger. Sie wollen, "dass Menschen sich mit dem Thema auseinandersetzen, die nicht zu den Best Agern gehören und bei der ARD die normalen, etablierten Sendungen anschauen."

Mit ihrem "Blue Future Project" kümmern sich die beiden Saarbrücker eigentlich um die Wasserversorgung in Tansania. Die Zustände in den Flüchtlingslagern haben sie aber so bewegt, dass sie unbedingt einen Film machen wollten - auch ohne jede Drehgenehmigung. "Wir wussten, dass man nicht unbedingt mit einer Kamera reinkommt, vor allem, wenn man kein Journalist ist", sagt Tibor Sprick. "Deshalb haben wir uns nie irgendwo angemeldet, deshalb sind wir immer so ein bisschen inkognito unterwegs gewesen und haben geschaut, dass uns niemand erwischt." Sie hatten auch eine Begegnung mit der griechischen Polizei. Die war zwar sehr unangenehm, blieb aber folgenlos.

Das Ziel: Ein authentisches Bild

Ihre Interviewpartner machten sie unkenntlich, damit die keinen Ärger mit den Behörden bekommen. In erster Linie wollten sie ein authentisches Bild einfangen. "Wenn sonstige Kamerateams in die Camps fahren, ist es oft so, dass irgendeine Erzählstimme das zusammenfasst, was dort gesprochen wurde", erklärt Christoph Dillenburger. "Oftmals hat man ja keine authentischen Stimmen der Menschen in Muttersprache über ihre eigenen Probleme. Das wollten wir dann auch mal darstellen."

In dem Film erzählen die Menschen, warum sie geflohen sind, was sie auf der gefährlichen Reise erlebt haben, und wie die Situation in den Camps ist. Insgesamt sechs Lager besuchten die Saarländer an zehn Tagen. Besonders schlimm war es in Moria. Ausgelegt für 2800, lebten hier vor dem Brand 20.000 Menschen. Der Film zeigt die dortigen Lebensumstände als menschenunwürdig.

Europas Mitschuld

Indem sie die Fluchtursachen thematisieren, wollen die Macher auch klar machen, dass Europa eine Mitschuld an der Flüchtlingskatastrophe hat. "Wir müssen aufhören, so viele Waffen zu exportieren und Menschen in Afrika wegen Ressourcen und Absatzmärkten auszubeuten. Dort fängt nämlich das Problem an. Wenn wir dort mit den Menschen fair umgehen im Nahen Osten sowie in Afrika, dann flüchten keine Menschen mehr", sagt Sprick. Und Dillenburger ergänzt: "Ganz viele von den Menschen, die wir gesprochen haben, die haben gesagt: Wenn keine Bomben mehr fallen, dann gehe ich liebend gerne nochmal zurück in meine Heimat und baue die auf."

Rund 2000 Mal wurde der Film auf YouTube in den ersten zwei Monaten angeschaut. Tibor und Christoph hoffen, dass noch ein paar Klicks dazukommen. Und das nicht erst wieder ein Feuer kommen muss, damit sich Europa an die Flüchtlinge an seinen Außengrenzen erinnert und handelt.

Ein Thema der Sendung Wir im Saarland - Das Magazin im SR Fernsehen vom 14.01.2021.

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