Ein Mädchen erhält zwei Euro Taschengeld (Foto: dpa)

Viele Familien ärmer als bisher gedacht

Felicitas Fehrer   07.02.2018 | 12:04 Uhr

Das Armutsrisiko von Familien ist größer als bisher angenommen. Das hat eine aktuelle Bertelsmann-Studie ergeben. Besonders drastisch ist die Situation demnach für Alleinerziehende. Die Armutskonferenz Saar fordert eine Reform der Hilfen für Familien mit niedrigem Einkommen.

Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben im Auftrag der Bertelsmann Stiftung festgestellt, dass vor allem ärmere Familien bislang reicher gerechnet wurden als sie tatsächlich sind. Diese Ergebnisse stützen sich auf eine neue Berechnungsmethode von zwei Bochumer Sozialökonomen, die ausgewertet haben, welche zusätzlichen Kosten durch Kinder und Jugendliche im Haushalt entstehen.

Vor allem Alleinerziehende sind laut Studie von der Armut betroffen: Ihre Risikoquote liegt bei 68 Prozent. Das sind über 20 Prozentpunkte mehr als in früheren Untersuchungen.

"Staatliche Hilfe nicht effektiv"

„Dass die Armut besonders für Alleinerziehende ein großes Problem ist, ist keine neue Erkenntnis“, sagt Manfred Klasen, Geschäftsführer der saarländischen Armutskonferenz. Dennoch sei die Zahl alarmierend. Als Hauptgrund sieht Klasen den Mangel an Kita-Plätzen. „Wenn die Anzahl der Plätze nicht bedarfsgerecht ausgebaut wird, ist für Alleinerziehende die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit weiterhin unmöglich.“

Die bestehenden staatlichen Hilfen sind laut Klasen oft nicht effektiv – nicht zuletzt, weil Maßnahmen wie das Bildungs- und Teilhabepaket zu kompliziert zu beantragen sind. Dieses Paket soll Kindern und Jugendlichen aus bedürftigen Familien neue Chancen eröffnen. Gefördert werden dabei zum Beispiel KiTa-Ausflüge oder Schulbedarf. "Das Ganze führt aber eher dazu, dass den Eltern Misstrauen entgegengebracht wird. Außerdem handelt es sich bei dieser Maßnahme um ein bürokratisches Monster", sagt Klasen.

Kinderarmutsprojekte fördern

Um der Armuts-Problematik entgegenzuwirken, fordert die Armutskonferenz Saar den Ausbau von Kinderarmutsprojekten. „Das sind Stellen wie das Kinderhaus in Malstatt, wo Eltern und Kinder mit finanziellen Problemen Beratung und Unterstützung erfahren“, sagt Klasen. Solche Projekte müssten auf alle Regionen ausgeweitet werden. Zusätzlich findet Klasen die Einführung einer Kindergrundsicherung sinnvoll. So seien die Kinder grundsätzlich und unabhängig von der Elternsituation abgesichert.

"Kindergeld für arme Familien sinnlos"

Familien mit niedrigem oder gar keinem Einkommen profitieren laut Klasen nicht von einer Erhöhung des Kindergeldes, im Gegensatz zu Familien mit höherem Einkommen. "Bei Eltern, die Hartz IV beziehen, wird das Kindergeld vollständig mit der Sozialleistung verrechnet. Es nutzt armen Familien also nichts", sagt Klasen.

Eine funktionierende Kinder- und Familienpolitik ist laut Klasen nur möglich, wenn konkrete Maßnahmen ergriffen und sich nicht nur auf bereits bestehende Aktivitäten beschränkt wird. Der erste Schritt: Investitionen in die Qualität der Kindertagesstätten.

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