1969 -Die Soldatenmorde von Lebach

Jonathan Janoschka   11.11.2020 | 22:33 Uhr

Es ist ein Verbrechen, das bis heute die Menschen im Saarland bewegt. In der Sonntagnacht vom 19. auf den 20. Januar 1969 wird das schwach gesicherte Munitionsdepot der Bundeswehr in Lebach von zwei Männern überfallen. Drei der fünf Wachsoldaten werden sofort getötet, ein Vierter erliegt sechs Wochen nach dem Überfall seinen Verletzungen in der Homburger Uniklinik. Der Fünfte überlebt schwer verletzt. Die Täter erbeuten fünf Schusswaffen, Munition sowie das Wachbuch und können flüchten. Erst am Morgen danach entdecken andere Soldaten ihre toten und verletzten Kameraden.

Das Verbrechen sorgt in der Bundesrepublik und international für Aufsehen. Das Bundeskriminalamt richtet die größte Sonderkommission seit dem Ende des 2. Weltkriegs ein, hunderte Beamte arbeiten unter der Führung von Oberstaatsanwalt Siegfried Buback. Hundertschaften suchen tagelang die Umgebung des Tatorts ab – vergeblich. Auch die gefundenen Spuren und Hinweise aus der Bevölkerung bringen die Ermittler nicht voran. Zunächst wird – ohne konkrete Beweise – ein politischer Hintergrund vermutet, schließlich demonstriert in Deutschland die Studentenbewegung gegen den Vietnamkrieg.

Täter geben sich als "die Mafia" aus

Die wahren Täter wenden sich unterdessen in Briefen an den „Spiegel“ und die „Bild“, legen als Beweis Originalseiten aus dem gestohlenen Wachbuch bei und geben sich als „die Mafia“ aus. Und auch beim Versuch, einen prominenten Münchner Immobilienmakler zu erpressen, behaupten sie, zur Mafia zu gehören und verweisen auf den Überfall von Lebach. Der Mann geht allerdings nicht darauf ein sondern wendet sich an die Polizei.

Als nächstes versuchen die Täter ihr Glück bei der damals sehr bekannten – und bis in höchste Kreise vernetzten – Wahrsagerin Madame Buchela aus Remagen. Ihr Ziel hier: Informationen über die Kundschaft der Hellseherin für weitere Erpressungsversuche. Unter dem Namen Dr. Sardo vereinbaren sie einen Termin bei Madame Buchela, behaupten, angebliche Kontakte zur ehemaligen Herrscherfamilie von Persien zu haben und versuchen, die Wahrsagerin in ihren Wagen zu locken. „Madame Buchela“ ist allerdings skeptisch und weigert sich – stattdessen lässt sie einen anderen Kunden das Kennzeichen des Autos notieren, in dem der angebliche Dr. Sardo auf sie wartet.

Fall in Aktenzeichen XY... ungelöst


Madame Buchela hört den Namen Dr. Sardo erst im April 1969 wieder – von „Aktenzeichen XY... ungelöst“-Moderator Eduard Zimmermann. Die noch neue ZDF-Fernsehsendung stellt den ungelösten Soldatenmord von Lebach mit neuen Details vor, etwa, dass der Name Dr. Sardo auch in einem Erpressertelegramm an den Münchner Immobilienmakler verwendet wurde. Die Hellseherin wird hellhörig – und meldet sich bei der Polizei.

Das notierte Kennzeichen führt die Ermittler rasch zu den drei Tatverdächtigen. Der Rädelsführer war vor der Tat selbst Soldat in Lebach gewesen und wusste, wie schlecht das Munitionsdepot gesichert ist. Außerdem hatte er dort die späteren Tatwaffen gestohlen.

Prozess im Sommer 1970 wird zum Spektakel

Das Motiv der Männer: Geldgier. Sie wollten reiche Leute erpressen, der Mord an den Soldaten sollte dabei die Drohkulisse sein, die ihre potentiellen Opfer dazu bringt, lieber große Summen an die Männer zu zahlen, statt ihr Leben zu verlieren.

Im Sommer 1970 findet in der Saarbrücker Congresshalle der Prozess gegen die Täter statt, inszeniert als öffentliches Spektakel vor hunderten Zuschauerinnen und Zuschauern. Am 7. August 1970 um 9:15 Uhr werden die beiden Haupttäter wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Ihr Komplize, der beim Überfall von Lebach nicht dabei war, zu sechs Jahren Gefängnis.

Das Munitionsdepot ist lange aufgegeben. Bis heute erinnert in der Graf-Haeseler-Kaserne in Lebach aber ein Gedenkstein an die vier getöteten Soldaten.

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