SR-Online
Zeitzeugen Biografien: Renate Hessedenz

Verbrennungen beim Abstich


Mein Vater war anfangs auch am Hochofen, da wollte nicht jeder unbedingt so hin. Aber wer neu kam, der musste an den Hochofen. Und das war ganz schlimm. Damals wurde dieser Hochofen von Hand aufgemacht. Ich glaube, erst 1964 gab es eine Maschine. Man musste also mit einem langen Meißel diesen Abstich von Hand aufmeißeln. Und man hatte keine feuerfesten Kleider an. Es waren einfach alte Kleider von früher.

Da war es an der Tagesordnung, dass sich die Leute kleine Verbrennungen zuzogen, so an den Händen. Spritzverbrennungen. Wenn so ein Abstich aufgemacht wird, kommt das Eisen rausgeschossen, und diese kleinen glühenden Stahlsplitter fliegen überall rum. Die mussten also schnell wegrennen, mussten aber eigentlich doch dabei bleiben, weil das Ganze beobachtet werden musste. Man musste aus diesem Roheisen auch Proben entnehmen und gucken, dass das floss. Es waren Temperaturen von 250 Grad am Ofen, das muss man sich mal vorstellen. Man sitzt in einem Backofen. Solche Temperaturen sind das.

Der Hochofen war schon ein gefährlicher Arbeitsplatz. Auch wenn der Abstich wieder zugemauert werden musste. Das musste man ja auch von Hand machen. Die haben den Abstich mit verlängerten Zangen zugemauert. Zuerst haben sie eine Tonkugel reingesetzt und dann die Steine aus der Ferne aufeinander gesetzt und dann versucht, das Ganze abzudichten. Die mussten sich davor knien, vor einem Ofen, in dem es 2000 Grad heiß ist. Aus diesem Abstich kam diese Hitze immer noch raus.

Ich konnte das nicht verstehen. Ich habe meinen Vater zwei oder drei Mal gefragt habe: ‚Wie konntet ihr das aushalten? Wie konnte das passieren, dass ihr den Abstich immer so dicht bekommen habt, dass der zu war?’ Ich habe zur Antwort bekommen: ‚Frog nitt so vill, er woar imma zu!’

Das sind Arbeitsbedingungen, die es heute nicht mehr gäbe. Die Menschen mussten sich damals immer auf die Situation einstellen. Es ging nicht nach einem Schema. Es ging, wie es ging. Das war Hochofen.

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