Selbstzahler-Leistungen beim Arzt nicht pauschalisieren

Selbstzahler-Leistungen beim Arzt nicht pauschalisieren

Interview: Simin Sadeghi/Onlinefassung: Markus Person   11.04.2024 | 13:00 Uhr

Patientinnen und Patienten sollen nach dem Willen von Gesundheitspolitikern der Koalition besser vor umstrittenen Selbstzahler-Leistungen in der Arztpraxis geschützt werden. Dabei geht es um die so genannten „IGeL-Leistungen“. Die Individuellen Gesundheitsleistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen und müssen von den Patienten selbst bezahlt werden. Auch Dirk Jesinghaus, Kardiologe, Angiologe und ehemaliger Vorsitzender des Facharzt-Forums sieht einige der Leistungen kritisch.

Messen des Augendrucks, Ultraschall der Eierstöcke oder ein Test zur Früherkennung von Prostatakrebs. In Deutschland gibt es eine ganze Reihe der so genannten ärztlichen Selbstzahler-Leistungen. Doch wie sinnvoll sind diese Untersuchungen?

Dirk Jesinghaus, Kardiologe, Angiologe und ehemaliger Vorsitzender des Facharzt-Forums im Saarland hält nichts von einer pauschalisierenden Beurteilung der so genannten IGeL-Leistungen. Es gebe durchaus Untersuchungen, die nicht grundsätzlich unnötig seien. Hier nennt Jesinghaus beispielsweise eine PSA-Wert-Untersuchung für Männer. Die könne durchaus helfen, die Gefahr einer Prostatakrebserkrankung beim Patienten aufzuzeigen. Ein anderes Beispiel sei die Vitamin-D-Bestimmung.

Arzt muss Fürsorgepflicht beachten

Grundsätzlich müsse der Arzt aber - egal welche Leistung er dem Patienten oder der Patientin anbiete - seiner Fürsorgepflicht gerecht werden, so Jesinghaus. Heißt: Der Arzt muss den Patienten über die Untersuchung aufklären und darf ihn dann auch nicht mit dem Ergebnis allein lassen.

Leistungen im Einzelnen kritisch hinterfragen

Es gebe aber auch eine Reihe von Leistungen, die man durchaus kritisch hinterfragen sollte, so Jesinghaus. Dabei gelte jedoch immer eine ergebnisoffene Herangehensweise. Denn was bei dem einen Patienten sinnvoll sei, gelte für einen anderen eben nicht unbedingt. Dazu zählten beispielsweise verschiedene homöopathische und diverse Akupunktur-Leistungen.

Warum die Krankenkasse nicht zahlt

Bei den so genannten IGeL-Leistungen muss der Patient selbst zahlen. Das liege daran, wie die Krankenkassen die ärztlichen Leistungen grundsätzlich definierten. So sei beispielsweise die Langzeit-Blutdruckmessung früher eine IGeL-Leistung gewesen. Mittlerweile sei sie eine Regelleistung, da erwiesen sei, dass eine solche Messung wissenschaftlich wichtig und damit auch für das Patientenwohl eine große Rolle spiele. Deshalb gilt die Langzeit-Blutdruckmessung mittlerweile als eine notwendige Leistung zur ärztlichen Versorgung - die Kosten werden damit von der jeweiligen Krankenkasse übernommen. 

Debatte um IGeL auf Bundesebene

Angestoßen hatte die Diskussion um die Sinnhaftigkeit der IGeL-Leistungen der Bundespatientenbeauftragte Stefan Schwartze (SPD). Dabei war ihm der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen, zur Seite gesprungen. Der hatte gesagt, es sei besorgniserregend, in welchem Umfang einzelne Praxen sich statt auf die Erbringung bedarfsnotwendiger Angebote entsprechend des Standes der Wissenschaft auf lukrative IGeL-Leistungen fokussiert hätten. Durch ihr massives IGeL-Angebot zögen die entsprechenden Praxen die redliche und wichtige Arbeit der überwältigenden Mehrheit der Arztpraxen in Misskredit, so Dahmen.

Ein Thema in der Sendung "Region am Mittag" am 11.04.2024 auf SR 3 Saarlandwelle.

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