Pflegenotstand – das klingt erst einmal nach einem internen Problem der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Doch der Pflegenotstand kann auch dramatische Folgen für Bewohner und Patienten haben. SR-Reporterin Steffani Balle hat einen Krebspatienten getroffen, dessen überlebensnotwendige Operation kurzfristig abgesagt und um eine Woche verschoben wurde, weil kein Intensivbett frei war.
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"Die Nerven sind am Ende"
"Ich sitze auf glühenden Kohlen. Mir geht es nicht gut. Ich habe viele Schmerzen", sagt Fritz. Und seine Frau Sabine ergänzt: "Die Nerven sind am Ende, seit Monaten tut man alles, baut dann auf den OP-Termin, weil er ein kleiner Rettungsanker ist und dann wird eine Stunde vorher der OP-Termin abgesagt."
Vier Monate Chemotherapie und dann hieß es: warten
Fritz hat Blasenkrebs. Von Januar bis April bekam er deshalb im Städtischen Klinikum auf dem Winterberg Saarbrücken eine Chemotherapie. Die notwendige Unterleibs-Total-Operation sollte schnellstmöglich durchgeführt werden. Doch "dann konnten sie im Mai nicht operieren, weil kein Personal da war", sagt Fritz.
Vier nächtliche Notfälle Grund für OP-Verschiebung
Der OP-Termin wurde schließlich auf den 31. Mai festgesetzt. Die Voruntersuchungen waren abgeschlossen, sogar die Thrombose-Strümpfe zum Anziehen bereitgelegt, da kam der Chefarzt mit der Hiobs-Botschaft: In der Nacht seien Notfälle reingekommen und es sei kein Intensiv-Bett frei. Fritz versuchte noch, auf höherer Ebene was zu erreichen - er sei schließlich auch ein Notfall - erhielt aber nur als Antwort: Man könne da nichts machen. Die Intensivbetten seien durch die vier Notfälle in der Nacht einfach belegt.
Auch die Nachfrage in anderen Kliniken im Saarland brachte die ernüchternde Erkenntnis: Kurzfristig kann niemand ihn aufnehmen. Sein neuer OP-Termin am Winterberg Klinikum ist jetzt in der ersten Juniwoche - also eine Woche später.
Die Position des Klinikums
Die Klinik bedauert auf SR-Nachfrage die Verschiebung. Aufgrund von Personalmangel und Raumnot käme es aber immer wieder dazu, dass planbare Eingriffe verschoben werden müssten - vor allem wenn es in der Nacht Intensiv-Notfälle aufgenommen werden müssten. Es gebe nun mal gesetzliche Vorgaben, mit welcher Personalstärke Klinikbetten betreut werden müssen. Durch den Fachkräftemangel habe die Klinik da wenig Kapazitäten, Engpässe kurzfristig aufzufangen.
Weiter Bangen und Hoffen
Eine Erklärung, die Sabine nicht nachvollziehen kann. "Sie blocken den OP, ein Ärzteteam wird bereit gestellt und niemand ist in der Nacht in der Lage, ein Bett, das für den nächsten Tag geblockt ist, auch freizuhalten." Ihr Mann sei ein schwer kranker Mensch, der seit Monaten bangt, hofft und zittert und werde quasi einfach mit seinem Koffer vor die Tür gesetzt.
Und auch die ganze Planung innerhalb der Familie ist mit der Terminverschiebung nun zusammengebrochen, also wer nach der OP wann frei nimmt, um für den Ehemann, Vater und Schwiegervater da sein zu können. Und auch die große Sorge, dass die Acht-Stunden-OP schief gehen könnte ist jetzt wieder um eine Woche verlängert.
Die Zeit spiele einfach eine so große Rolle, sagt Sabine. "Es wächst und wuchert in meinem Mann weiter vor sich hin."
Wenn alles gut geht, dann wird Fritz mit einem seitlichen Ausgang leben müssen. Aber er wird leben und kann auch damit alt werden. Und wenn alles gut geht, die OP endlich vorbei ist und er sich soweit erholt hat, dann will er vor allem eins machen: Urlaub mit meiner Frau.
Weniger Betten wegen Personalmangel
Es ist allgemein ein Problem in den saarländischen Kliniken: Durch den massiven Personalmangel kommt es dazu, dass Betten in Krankenhäusern zwar vorhanden sind, aber nicht belegt werden können.
Im Klinikum auf dem Winterberg Saarbrücken werden deswegen teilweise auch lebensnotwendige planbare Operationen verschoben. Wie die Klinik mitteilte, können krankheitsbedingte Ausfälle beim Personal momentan kaum kompensiert werden. Auch in der Uniklinik Homburg können aus dem Grund momentan über 300 Betten nicht belegt werden. Die Klinikleitung versichert aber, dass lebensnotwendige Eingriffe zeitnah stattfinden können.
Laut Register der Intensiv- und Notfallmediziner in Deutschland, DIVI, ist die Zahl der betreibbaren Intensiv-Betten im Saarland von über 400 noch im November vorigen Jahres auf rund 230 Anfang Juni zurückgegangen.
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Ein Thema in der "Region am Mittag" am 05.06.2023 auf SR 3 Saarlandwelle