Saarbrücker Rechtsprofessor hält Diskussion um Strafmündigkeit für abwegig
Vor über einer Woche wurde die zwölfjährige Luise aus Freudenberg von zwei fast gleichaltrigen Mädchen erstochen. Seitdem ist eine Diskussion über die Herabsetzung der Altersgrenze für Strafmündigkeit entfacht. Der Jurist Mustafa Oğlakcıoğlu von der Universität des Saarlandes hält diese für wenig zielführend.
Der Mord an der zwölfjährigen Luise F. aus Freudenberg vor über einer Woche hat die gesamte Republik erschüttert. Zu der Fassungslosigkeit über das Verbrechen an sich, stellte sich nur wenig später kollektive Ratlosigkeit ein – denn getötet wurde Luise von zwei fast gleichaltrigen, und damit strafunmündigen, Mädchen: Was treibt zwei Kinder dazu an, ein anderes zu töten und was geschieht nun mit ihnen?
Die Union hatte daraufhin eine Senkung der Strafmündigkeit ins Spiel gebracht. Ihr rechtspolitischer Fraktionssprecher Günter Krings (CDU) forderte demnach in der "Bild am Sonntag": "Auch Zwölf- und 13-Jährige wissen, dass man nicht töten darf. Wir müssen daher die Debatte um eine Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit führen." Die Fraktionen im saarländischen Landtag lehnten das am Montag geschlossen ab.
Vergeltung dürfe niemals eine Rolle spielen
Auch Mustafa Oğlakcıoğlu, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Universität des Saarlandes, hält von dieser Forderung nicht viel. "Die Öffentlichkeit wird gerade von ihrer Ohnmacht und Empörung über eine Tat geleitet, für die sie augenscheinlich nach Vergeltung verlangt – und das ist ein Aspekt, der im Jugendstrafrecht nie eine Rolle spielen darf."
Im Mittelpunkt müsse dagegen, so Oğlakcıoğlu, immer der Erziehungsgedanke stehen, also die Frage danach, wie es gelingen kann, junge Straftäterinnen oder -täter wieder auf den rechten Weg zu führen.
"Das Strafbarkeitsalter als Reaktion auf einen Einzelfall herabzusenken, kann schwerwiegende Folgen vor allem für die Kinder und Jugendliche haben, die eben noch nicht über einen notwendigen Grad an moralischer Reife verfügen, die Tragweite ihrer Taten wirklich überschauen zu können." Traumatisierungen durch Sanktionshärte statt Rehabilitierung und Resozialisierung könnten die Folge sein, erklärt Oğlakcıoğlu.
Schutz der Persönlichkeitsrechte stehen über öffentlichem Interesse
Aus ebendiesem Grund sehe er auch Forderungen nach Veröffentlichung von Tatdetails, wie sie jüngst Medienrechtler artikuliert hatten, kritisch. "Das Interesse der Gesellschaft muss zum Schutz der Persönlichkeitsrechte insbesondere junger Täterinnen und Täter nun einmal zurücktreten."
Dieses sei schon allein durch die sozialen Netzwerke massiv gefährdet, in denen sich aktuell Gerüchte über die mutmaßlichen Hintergründe des Vorfalls unkontrolliert verbreiteten. Die Ermittlungsbehörden hatten dieser Tage daher ausdrücklich darum gebeten, sich an derartigen Spekulationen nicht zu beteiligen "und die Diskussionen über die Hintergründe des Vorfalls, auch zum Schutz der Angehörigen, nicht zu befeuern".
"Rechtsordnung kennt andere Wege"
Der Deutsche Anwaltverein hat sich am Montag ebenso gegen eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters ausgesprochen. "Die Vergeltung gegenüber Kindern kann kein Teil unseres Justizsystems sein", teilte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Swen Walentowski mit. Der Sinn von Strafe und die Wirksamkeit von Strafverschärfungen würden aus kriminologischer Sicht schon bei Erwachsenen in Frage gestellt. "So schrecklich der Vorfall auch ist und uns fassungslos macht: Kriminalpolitik darf sich nicht nach Einzelfällen richten."
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat der Herabsenkung des Strafmündigkeitsalters eine Absage erteilt. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er, Kinder unter 14 Jahren würden zwar strafrechtlich nicht belangt, "aber unsere Rechtsordnung kennt andere Wege, um darauf zu reagieren, etwa das Kinder- und Jugendhilferecht sowie das Familienrecht".