Na, gut geschlafen? (Foto: Pixabay/JayMantri)

"Im Hotel"

Michael Friemel   28.08.2023 | 10:40 Uhr

„Es ist Sie-ben Uhr und Drei-ssig Mi-nu-ten. Sie woll-ten ge-weckt wer-den.“ Ich quetsche mich unter der übermäßig gestärkten und unter drei Matratzenrändern festgeklemmten Bettdecke hervor und schlüpfe in die über dem Spann recht engen Hotel-Einweg-Pantoffel in Standardgröße. Dann geht es ins Bad. Und hier werden wichtige Grundsatzentscheidungen für das Klima gefällt!

In der Dusche will das Wasser einfach nicht warm werden. Nur ganz langsam ist eine Erwärmung zu spüren, während ich heftig gegen die Kälte ankeuchend unter den drei Einzelstrahlen  hin- und herhüpfe.

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Als es endlich warm wird, erfüllt der weiße Nebel aus Wasserdampf das ganze Badezimmer. Ich greife nach der Duschcreme mit dem Duftklassiker „Eau de Hotel“ und stelle fest, dass der Behälter fest an der Wand montiert ist. Die Formel „Haut und Haar“ wird hier stets von oben nachgefüllt, während man zum Benutzen einen festen Druck auf das Plastikfläschchen ausüben muss, um einen nach unten führenden Seifenstrom auszulösen.

Ich bin fertig. Schiebe die Duschabtrennung zur Seite und greife nach einem Handtuch. Es ist genau so kratzig, wie der Bademantel. Aber das belebt die Haut. Krebsrot vom Abrubbeln versuche ich mit dem Hotel-Föhn den Spiegel vom Wasserdampf freizuföhnen. Meinen eigenen Föhn, der draußen im Koffer liegt, brauche ich erst gar nicht zu holen, denn über eine Steckdose verfügt das kleine Bad gar nicht. Der Hotelföhn ist fest an der Wand montiert, ähnelt eher einem Staubsauger als einem Haartrockner und zieht mich mit seinem zu kurzen und straffen Blasestutzen behände Richtung Waschbecken.

Nachdem ich es geschafft habe, mich doch noch zu föhnen, stehe ich plötzlich vor einer Gewissensentscheidung. Man verlangt von mir, eine Wahl zu treffen.

Über dem Fön klebt ein Hinweis: 790 Milliarden Handtücher werden täglich in den Hotels dieser Welt benutzt. Mehr als Neunzig Prozent davon müssen Tag für Tag aufs Neue gewaschen werden, weil verantwortungslose Hotelgäste nicht bereit sind, diese Tücher ein weiteres Mal zu benutzen. „Sie haben die Wahl“ schreien mir die Buchstaben entgegen. „Handtuch auf den Boden – Waschen. Handtuch an den Haken - Ich benutze es wieder.“

In mir arbeitet etwas. Das Handtuch in der Hand blicke ich auf den Boden, dann zum Harken. Mein Gewissen wird aktiviert. Was wird das Zimmermädchen von mir denken? Nur einmal geduscht, und schon will er ein neues Handtuch. Ich hänge das klatschnasse Etwas an den Harken und ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich habe etwas für unsere Umwelt getan. Ja, wenn ich so weiter mache, können wir den Klimawandel doch noch stoppen ...

Michael Friemel


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