Martin Persiel „Everything will Change“/Moviestill (Foto: FlareFilm/Pressefoto)

"Man vermisst nicht das, was man nicht kennt."

Ein Gespräch mit Martin Persiel, dem Regisseur des Eröffnungsfilms zum Filmfestival Max Ophüls Preis 2022

Jochen Marmit. Onlinefassung: Laszlo Mura   14.01.2022 | 16:25 Uhr

Das 43. Filmfestival Max Ophüls Preis ist am Sonntag, 16. Januar, mit dem Spielfilm "Everything Will Change" von Martin Persiel eröffnet worden. Der Film konkurriert mit neun weiteren Spielfilmen um den Hauptpreis des Festivals.

Persiels Science-Fiction-Roadmovie, eine düstere Zukunftsvision, spielt im Jahr 2054: Die Welt ist leer, öde und trostlos. Drei junge Leute entdecken durch Zufall ein Foto einer Giraffe. Sie fangen an zu forschen und wollen herausfinden, was eigentlich passiert ist. Dabei stoßen sie auf lange zurückliegende Warnungen vor einem Artensterben... SR-Moderator Jochen Marmit hat dem Regisseur schon kurz vor der Eröffnung des Filmfestivals ein paar Fragen gestellt.


Martin Persiel – Was bedeutet es für Sie, dass "Everything Will Change" mit seiner starken Öko-Botschaft den diesjährigen Wettbewerb eröffnen wird?

Persiel: Was ich für besonders erachte ist, dass sich das Festival traut, unseren Film als Eröffner zu zeigen. Denn er ist sehr anders und verlangt dem Zuschauer was ab. Und er ist, wie im Programm auch zu lesen ist, ein Hybrid zwischen Dokumentar- und Spielfilm. Er wurde jetzt mehr auf der Spielfilm-Seite eingeordnet, das hätte man auch andersrum machen können. Er ist auf jeden Fall ein ungewöhnliches Format, sagen wir mal.

Das ungewöhnliche Format von "Everything Will Change" besteht ja eben darin, dass Sie alle Formen des Kinos nutzen. Spielfilmszenen, dokumentarische Anteile, historisches Material. Warum haben Sie diese besondere Form gewählt?

Persiel: Der Sinn des Ganzen ist zu sagen, unsere Zeit ist eine goldene Zeit, wo vieles noch rettbar ist, weil vieles noch existiert. Das Great Barrier Reef ist fast zu einem Drittel noch erhalten. Es gibt noch einen großen Teil des Amazonas. Also es ist eigentlich eine Zeit, in der man jetzt seinen Kindern noch echte Natur, echte Wildnis zeigen kann. Das wird sich ändern, und zwar sehr, sehr, sehr schnell. Das war auch der Grund, den Film hier so dringend zu machen und eben auch so leicht aktivistisch aufzustellen.

Dieser Rückblick aus der Zukunft, das war ganz interessant. Wir haben die Interviews sozusagen in der Zukunft gedreht. Das heißt, die Spielhandlung ist: Drei junge Leute kommen dem Thema Artensterben auf die Spur und fangen dann eben an, Fragen zu stellen. Und das war ganz lustig, dass wir dann eben Mojib Latif und andere hochkarätige Wissenschaftler vor der Kamera hatten und die dann eben bitten mussten, in der Vergangenheitsform zu sprechen. Dass sie eben sagen mussten: "Damals in den späten 10er Jahren hatten wir dann eben diese und diese Ergebnisse."

Und was ich ganz lustig fand war, dass alle Wissenschaftler, durch die Bank, und alle anderen, die mitgemacht haben, das lustig fanden und interessant fanden und das Gedankenexperiment sehr gerne mitgemacht haben. Im Großen habe ich gemerkt, dass auch in diesem dokumentarischen Format viel Spieltrieb ist - gerade bei den Wissenschaftlern, die sich eben auch viel Gedanken machen im Moment, wie sie ihre Erkenntnisse und Daten an den Mann bringen. Denn das ist ein großes Problem in der Wissenschaft momentan, dass sie ihr Publikum nicht erreichen.

Acht Jahre haben Sie an dem Stoff gearbeitet und als Regisseur die künstlerischen Mittel gesucht, ein großes und wichtiges Thema wie das Artensterben auf die Leinwand zu bringen – Was hat Sie und ihr Team motiviert?

Ich habe mir als Künstler eine Mission gesetzt mit dem Film. Und die ist eigentlich, dass ich mir wünsche, dass die Leute diesen Film gucken und danach mal wieder auf die Idee kommen, einfach rauszugehen in den Wald oder an die Küste, oder wo man eben wohnt. Einfach mal wieder versuchen, die Wildnis zu sehen, so gut das eben noch geht. In Deutschland ist es nicht mehr so ganz einfach, aber es gibt ja noch Wildnis. Die einfach mal wieder zu besuchen und vor allem, seine Kinder dort hin mitzunehmen, damit diese Verbindung nicht abreißt.

Ich bin in den 80ern aufgewachsen. Was ich damals noch als normal empfinden durfte, nämlich Tausende von Schmetterlingen und, und, und. Das gibt es nicht mehr. Es verändert sich alles. Aber wenn wir unseren Kindern nicht diese Verbindung möglich machen, dann reißt sie ab und dann wissen wir nicht mehr, warum wir überhaupt Naturschutz machen sollen. Man vermisst nicht das, was man nicht kennt. Das macht mir richtig Sorge und das macht mir Angst. Wenn die Leute die Wildnis nicht mehr vermissen, dann ist die Wildnis verloren. Und das möchte ich nicht.


Der Film:

Everything will Change
Deutschland, Niederlande 2019 - 2021, ca. 93 Min.
Regie: Martin Persiel

Darsteller: Noah Saavedra, Jessamine Bliss, Paul G. Raymond, Jacqueline Chan, Vibeke Hastrup, Paul Cless, Wim Wenders, Markus Imhoof u. v. a.

Deutsche Erstaufführung: 16. Januar 2022 im CineStar Saarbrücken.


Weitere Informationen zum Festival 2022:

Der Spielfilmwettbewerb 2022
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Beim Festival 2022 gingen nur zehn Spielfilme ins Rennen. Den Hauptpreis gewann "Moneyboys" von Regisseur C.B. Yi. Ein Überblick über die Wettbewerbsfilme.

16. bis 26. Januar 2022
Das Filmfestival Max Ophüls Preis 2022
Die 43. Ausgabe das Filmfestivals Max Ophüls Preis findet vom 16. bis 26. Januar 2022 in und um Saarbrücken statt - wegen Corona setzt das Team diesmal auf eine hybride Form und deutlich mehr Festivaltage. Ein Dossier.


Hintergrund

Das Filmfestival Max Ophüls Preis gilt als wichtigstes Festival für den jungen deutschsprachigen Film und steht für die Entdeckung junger Talente aus Österreich, Deutschland und der Schweiz.


Ein Thema u. a. in der Sendung "Der Nachmittag" vom 14.01.2022 auf SR 2 KulturRadio. Das Bild ganz oben zeigt ein Szenenfoto aus Martin Persiels Film "Everything will Change" (Pressefoto: FlareFilm).

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