John Paul Getty III. nach seiner Freilassung (Foto: IMAGO / ZUMA/Keystone)

Die Entführung von John Paul Getty III.

ZeitZeichen: 10. Juli 1973

 

Sendung: Montag 10.07.2023 9.05 bis 9.20 Uhr

Sein Großvater ist der reichste Mann der Welt – weshalb die italienische Mafia vermutet, mit der Entführung des 16-jährigen John Paul Getty Millionen Dollar erpressen zu können. Doch Getty senior – bekannt als gefühlskalt und geizig – lässt die Entführer abblitzen...

Es ist nachts um 3 Uhr auf der Piazza Farnese in Rom. John Paul Getty III. ist auf dem Nachhauseweg nach einer durchfeierten Nacht im Club "Tree Tops", als er in einen Transporter gezerrt wird. Er lebt mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern in der italienischen Metropole, seit sich die Eltern in den 1960er Jahren getrennt haben.

Der "Goldene Hippie", wie die Boulevardpresse den zu der Zeit 16-Jährigen nennt, ist einer von 14 Enkeln des damals reichsten Mannes der Welt: John Paul Getty, amerikanischer Öltycoon, Kunstmäzen, als emotionskalt und geizig bis ins Mark bekannt.

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17 Millionen Dollar fordern die Entführer, Mitglieder der 'Ndrangheta, der kalabrischen Mafia. Doch Getty senior will nicht zahlen, auch als die Mutter des entführten Jugendlichen darum bittet, seine Schwiegertochter Gail Harris. Er würde sonst bald 14 entführte Enkelkinder haben, so sein Argument.

Der Fall ist insofern pikant, als dass der entführte Paul – einst Lieblingsenkel des Milliardärs – alles andere als ein Musterknabe war. Sich der linken Szene angeschlossen hatte, von sieben Schulen geflogen, ähnlich seinem Vater in Alkohol- und Drogenexzesse abgeglitten, wegen Randalen auf einer Demo inhaftiert worden war und mit Kumpeln eine selbstinszenierte Entführung anvisiert haben soll, um vom Großvater einige Millionen zu erzwingen.

Wochenläng nährt daher auch Getty senior das Gerücht, Paul selber stecke hinter der Entführung. Er spielt auf Zeit, inszeniert PR-Kampagnen, entsendet einen eigenen Ermittler, ignoriert Forderungen der Kidnapper und Bitten von Gail Harris. Bis die Entführer ein abgeschnittenes Ohr und eine Locke an eine Tageszeitung senden, gefolgt von einem Brief mit einem Foto von Paul, blauäugig, rotgelockt mit Sommersprossen, hier völlig abgemagert, durch das fehlende Ohr entstellt.

Getty handelt die Entführer auf 2,8 Millionen Dollar runter. Verpackt in drei Säcken werden die Geldbündel auf der Autobahn bei Lagonero nahe Rom hinterlegt. Die Entführung endet am 15. Dezember 1973. Ein LKW-Fahrer soll den jungen Mann dann aufgegriffen haben.

Blutverschmiert, zitternd, verwahrlost, die Kopfwunde nur notdürftig verbunden. Ausgesetzt im einsamen Gebirge der Region Basilikata, im Süden Italiens. Mehr als 5 Monate hatte John Paul Getty III. in Wellblechhütten und Höhlen in den Bergen von Kalabrien verbracht, berichtet er später. Das Familien-Drama für John Paul Getty III. war damit aber noch nicht zu Ende.

Von Susanne Rabsahl


Das Bild ganz oben zeigt John Paul Getty III. nach seiner Freilassung (Bildquelle: IMAGO / ZUMA/Keystone).


"ZeitZeichen"

Montag bis Freitag um 9.05 Uhr auf SR 2 KulturRadio

Seit über 40 Jahren ist die Sendung "ZeitZeichen" eine feste Institution in der deutschen Radiolandschaft. Mit erzählerischer Kraft, analytischer Brillanz und publizistischer Kompetenz erinnert das "ZeitZeichen" an wichtige Daten und Ereignisse. Dabei geht nicht nur um Geschichte, Politik, Kunst und Kultur, sondern auch das Alltägliche, bis hin zum Skurrilen.

Neben dem aufwändig komponierten Beitrag sind im 15-minütigen "ZeitZeichen" alle Darstellungs- und Stilformen des Hörfunks zu erleben, von der reinen O-Ton-Collage über die Reportage bis hin zum Mini-Hörspiel.

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Redaktion SR: Peter Weitzmann

Redaktion WDR: Gesa Rünker

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