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Rainer Bredemeyer: Sinfonie 1974

Meilensteine der Neuen Musik (13)

  06.10.2015 | 06:00 Uhr

Sendung: Donnerstag 08.10.2015 zwischen 20.04 und 22.30 Uhr

Von Friedrich Spangemacher


(08.10.2015) Es gibt Meilensteine, die im Laufe der Zeit überwuchert oder verschüttet worden sind. Zu ihnen gehört die Sinfonie 1974 von Reiner Bredemeyer: eine Sinfonie für Kammerbesetzung, eine Sinfonie mit aleatorischen Elementen, komponiert für das wichtigste Ensemble für Neue Musik in der DDR, für das Hanns Eisler-Ensemble. Zur Zeit ihrer Entstehung, Mitte der 1970er Jahre, klang diese Sinfonie sehr modern; es war jedenfalls kein Stück, das man in der Folge Hanns Eislers erwartete.


In der SR-Mediathek können Sie den Beitrag auch online hören:

SR-Mediathek: Meilensteine der Neuen Musik: Rainer Bredemeyer - Sinfonie 1974 [Friedrich Spangemacher für SR 2 KulturRadio, Mouvement, 8. Oktober 2015, Länge ca. 5:16 Min.]


Bredemeyer öffnete mit diesem Werk neue Türen und entfachte eine Diskussion über das Verständnis von musikalischem Erbe in der DDR. Für ihn bedeutete die Auseinandersetzung mit der Form der Sinfonie auch gesellschaftliches Engagement und Aufbruch. Er wollte damit „eine gewisse Haltung ausdrücken. Die gesellschaftliche Attitüde,  die einer Sinfonie anhaftet, passt nicht mehr in unsere Zeit. Es gibt zwar noch immer Komponisten, die sich den repräsentativen Zug dieser Musikgattung gern ausleihen und sich ihrer ehemals festlichen Ära sonnen. Doch was habe ich von einer ausgeliehenen Größe? Eigentlich wohl nichts. Meine Arbeit soll ein Gegenstück zur Symphonik der Klassik sein. Was ich hier durch solche Dinge wie  Besetzungsfragen und Notation (eine graphische Notation ausgerechnet in einer Sinfonie) demonstriere, soll in jedem Musikstück deutlich werden: Es gilt für mein Leben überhaupt. Denn ich wünsche mir Veränderung des Menschen im Verhalten allen Dingen gegenüber“.

Der Komponist

Der in Kolumbien geborene Bredemeyer war Mitte der 50er Jahre in die DDR übergesiedelt. In München, wo er nach dem Krieg ansässig war, hatte er die Konzerte der Musica Viva bei Karl Amadeus Hartmann gehört und war dann auf Paul Dessau aufmerksam geworden, dessen engagierte Haltung ihn überzeugte. Er nahm eine Einladung zur Teilnahme am 2. Kongress des Komponistenverbandes der DDR 1954 an und übersiedelte im gleichen Jahr nach Ostberlin, um Meisterschüler bei Rudolf Wagner-Régeny zu werden.

Das Stück

Bredemeyer behandelt im ersten Satz das Klavier und das Schlagzeug traditionell hinsichtlich der Notation, aber für Oboe und Posaune gibt es nur skizzenhafte, frei ausführbare Passagen. Im zweiten Satz sind die Streicher exakt notiert, während das Schlagzeug größere Freiheiten hat. Der dritte Satz verbindet einen homogenen Bläsersatz mit einer frei auszuführenden Violoncellostimme. Und im letzten Satz werden Texturen  der vorhergehenden Sätze – auch in ihren Abläufen – nach einem genau  angegebenen Plan wiederholt. So entsteht ein Finale als Gesamt-Reprise aller vorhergehenden Sätze.

Reiner Bredemeyers Sinfonie wurde im Jahr 1975 in Leipzig uraufgeführt. In  der Musikgeschichtsschreibung der Neuen Musik nach dem Kriege ist das Werk heute leider fast vergessen.


Meilensteine der Neuen Musik

Reportage-Reihe auf SR 2 KulturRadio

Seit Mai 2014 stellen wir in jeder ersten „Mouvement“-Ausgabe des Monats ein Schlüsselwerk der Moderne vor – Meilensteine der Musikgeschichte wie Arnold Schönbergs Klaviersuite op. 25, György Ligetis „Atmosphères“ oder Karlheinz Stockhausens „Gesang der Jünglinge“. Die Beiträge können im Archiv nachgehört werden.

Mouvement - die aktuelle Sendung
Zweieinhalb Stunden lang bietet "Mouvement“ jeden Donnerstagabend Porträts, Interviews und Berichte rund um die Neue Musik.

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