?Ein Nachruf?

"Ein Nachruf"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 22.03.2024 16:45 Uhr

Nr. 980

Nicht dass Sie denken, ich wüsste nicht, was sich gehört. De mortuis nil nisi bene, wie der griechische Philosoph Chiron gesagt haben soll. Über die Toten soll nichts als Gutes gesprochen werden. Auch wenn’s manchmal schwerfällt.

Im hier anstehenden Falle gilt es, ein außergewöhnlich kurzes Leben zu würdigen – ein Jahr nur war dem auf den Namen Saarvenir getauften Plastikgebilde vergönnt. Kein schönes Jahr, wenn man den bundesweit reichlich darüber ausgegossenen Spott, die Häme und die bösartige Kritik betrachtet, die der wehrlose Kunststoffklumpen hat über sich ergehen lassen müssen. Dabei konnte er - oder sie oder es – nun wirklich nichts dafür. Diejenigen, die für seine Existenz verantwortlich sind, haben jetzt, kalten Herzens wie es scheint, auch sein Ende beschlossen. Und zumindest für diesen Fall die berühmte Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ eindeutig beantwortet: Kann weg.

Natürlich war es keine Schönheit, aber war das seine Schuld? Hat nicht Wirtschaftsminister Barke schon bei seiner Geburt gesagt, es sei nicht um Ästhetik gegangen? Wie soll ein kleines, in die kalte Welt geprintetes Dingelchen damit fertig werden? Wie ein Urvertrauen entwickeln oder gar ein Selbstbewusstsein, das ihm sagt: Ja, ich kann die mir zugedachte Lebensaufgabe meistern. In diesem Falle: Das Saarland würdig abbilden und vertreten. 230.000 Euro Steuergeld können keine Liebe ersetzen. Es hat getan, was es konnte. Das mag nicht viel gewesen sein, aber wenn schon die „Eltern“ nicht konnten, was sie getan haben – wer will da einen Vorwurf machen?

Es ist schwer, die Herzen der Touristen zu erobern, wenn man aussieht wie zu nah an die Herdplatte gekommen. Oder allenfalls wie das, was vom Saarland übrig bleibt, wenn die Söderin aus Bayern damit fertig ist. Aber nie hat man ein Klage gehört, stoisch und ohne Murren hat es sich in sein Schicksal gefügt und den Ruf seines Mutterlandes versucht, in die Welt zu tragen. Und das trotz ernstzunehmender Handicaps – spiegelverkehrte Körperteile, eckig geratene Gesichtszüge, die doch anmutig gerundet hätten sein sollen. Was für ein Schicksal, da mag der eine oder die andere schon im Stillen darüber nachsinnen, ob das vorzeitige Ableben nicht auch eine Gnade sein kann.

„Kult“ hätte es werden sollen, sagen seine Schöpfer:innen, es blieb ihm versagt. Trotz Rekordzahlen von Besucher:innen des Saarlandes konnten sich nur wenige, zu wenige dafür entscheiden, ihm ein liebevolles Zuhause außerhalb des Saarlandes zu bieten. „Das Ziel des Saarvenirs war es nicht, bestimmte Verkaufszahlen zu erreichen“, so ruft ihm die Sprecherin der Tourismuszentrale noch nach, nicht einmal zum Abschied ein tröstendes Wort. Kaum wagt man die Nachfrage, wie oft denn nun konkret ein solches, ja, doch, sagen wir „Geschöpf“, ein neues Zuhause gefunden hat. Es waren 666 Stück hört man.

666. Die Zahl des Tiers aus der Apokalypse, Symbol der Satanisten weltweit. Ein Zufall? Oder doch ein letzter Versuch der Rache für sein verkorkstes Dasein? Können wir das wollen, dass unser Saarland nun nach dem Rasengate im Ludwigsbad auch noch als Satanistenhochburg zu unrühmlicher Bekanntheit kommt? Nein, das darf nicht sein. 25 Stück, so hört man, seien noch vorhanden. Bitte: Erbarmen Sie sich, helfen Sie, aus den verfluchten drei Sechsen eine andere, unverfängliche Zahl zu machen. Dafür sollten Ihnen 20,80 Euro nicht zuviel sein.

Und was die Verursacher dieses 3-D-Drucker-Unfalls angeht: Meine Nachbarin Barscheck meint mit Heinrich Heine: Das Gebot über die Toten nur gut zu sprechen, beinhalte auch, dass man über die Lebenden ruhig Böses sagen kann. Muss auch nicht Latein sein.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 22.03.2024 und in "Der Morgen" am 23.03.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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