?Aber sicher?

"Aber sicher"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 08.03.2024 16:45 Uhr

Nr. 978

Nicht dass Sie denken, ich nähme das nicht ernst. Es ist natürlich eine derbe Schlappe, wenn ein vertrauliches Gespräch zwischen hochrangigen deutschen Militärs ein paar Tage später in Russland veröffentlicht wird. Und da müssen natürlich umgehend, also zeitnah oder wenigstens sofort wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Wenn nicht gar „weitreichende Konsequenzen“, die unsere Wehrbeauftragte Eva Högl fordert. "Erstens“, sagt sie, „müssen umgehend alle Verantwortlichen auf allen Ebenen der Bundeswehr umfassend zu geschützter Kommunikation geschult werden". Gute Idee.

Ich hätte jetzt gedacht, das gehöre sowieso zum normalen Ausbildungsprogramm, aber, na ja. Sowas dauert natürlich auch. Das sind ja schon ein paar Leute. Und die Sicherheitsmaßnahmen ändern sich ja auch dauernd wegen neuer Anforderungen und Programmen und so. Wenn du da alle einmal durch hast durch so ein Schulungsprogramm, kannst du grade wieder von vorne anfangen. Ist ja so. Kaum hast du die Führungsebene mit Windows 95 vertraut gemacht, schon stellt Microsoft den Support für Windows 7 ein. Da kommt man nicht nach. Ich muss auch ein bisschen aufpassen, was ich so sage und schreibe. Zum Beispiel: Da ist eigentlich gar nicht wirklich „abgehört“ worden, es ist nur zum „Datenabfluss“ gekommen, sagt der Verteidigungsminister. Weil offenbar das kostenlose W-Lan in dem Hotel in Singapore, wo einer der Gesprächsteilnehmer saß, nicht militärischen Sicherheitsstandards entsprach. Schlamperei sowas.

Zumal ja zu dieser Zeit gerade die Singapore Airshow lief, eine Luft- und Raumfahrtmesse auch für militärische Güter. Und das, erklärt Herr Pistorius, sei natürlich „ein gefundenes Fressen“ für russische Geheimdienste. Ja klar. Weil da ja eben auch „hochrangige Militärs europäischer Partnerstaaten“ teilnähmen, sagt der Pistorius, fänden „im Umfeld dieser Messe ... gezielte, flächendeckende Abhöraktionen statt“. Und dabei müssen wohl zufällig auch die Gespräche unseres militärischen Quartetts irgendwie aufgenommen worden sein. Ist aber auch gemein von den Russen. Da kann man ja auch mal weghören, oder?

Aber so ist er eben nicht, der Russe. Hat gerade auch wieder unser deutscher Kontingentführer bei der NATO im Baltikum gesagt. „Wir müssen gerade hier, wo die Russen so nah sind, davon ausgehen, dass wir abgehört werden.“ Ja, da kann man noch so leise reden, ist halt einfach zu nah. Sogar „erhöhte technische Maßnahmen“ habe man getroffen. „Wir haben nach unserem Ermessen schon das Maximum gemacht“, sagt der Kontingentchef. Hilft aber alles nix: „Der Russe hört mit“. Was soll man machen? Dosentelefone? Brieftauben? Trommeln?

Meine Nachbarin Barscheck verzichtet aus Sicherheitsgründen sogar auf What’s App. Dabei sind die geheimsten Informationen, die man bei ihr abgreifen könnte, ihr Geburtsdatum und die Rezeptur ihres berühmten Eierlikörs. Allein die Vorstellung, dass durch ein Datenleck plötzlich ihr Eierlikör in Russland auftauchen könnte, lässt sie von hochsicherer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ihres Messengers träumen. Womöglich wäre die russische Eierlikör-Kopie auch noch mit Wodka hergestellt, statt mit feinstem Weinbrand! So isser, der Russe.

Also wirklich, ich nehme das alles sehr ernst. Fürchte allerdings, dass dafür im befreundeten und weniger befreundeten Ausland das niemand mehr tut. Verteidigungsminister Pistorius hat wenigstens versprochen, dass wir uns durch die Abhör… entschuldigung  Datenabflusspanne "nicht aufscheuchen lassen". Hat wohl auch keiner erwartet.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 08.03.2024 und in "Der Morgen" am 09.03.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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