?Krieg der Knöpfe?

„Alle vier Jahre“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 23.02.2024 16:45 Uhr

Nr. 976

Nicht dass Sie denken, ich nähme jeden Feier-, Gedenk- und Aktionstag, der im Kalender so vorbeirauscht, ohne hinzusehen mit. Also: Mitnehmen gerne, aber Hinschauen doch auch. Schon aus Respekt vor den Zeitgenoss:innen, die sich ja schließlich Gedankenmühe gemacht haben bei der Einrichtung des jeweiligen Tages.

Wussten Sie beispielsweise, dass wir an diesem Sonntag den alljährlichen Tag der Hypotaxe begehen? Also derjenigen Satzkonstruktion, die wir, auch wenn wir sie, zumindest die meisten von uns, einst in der Schule behandelt haben, doch meist nur am Rande oder gar abgeschreckt, wenn sie uns begegnet, sei es nun in Schrift oder gesprochener Sprache, zur Kenntnis nehmen, weil es eben ein gewisses Maß an Geduld, die ja bekanntlich nicht jeder aufzubringen bereit ist, erfordert, bis so ein hypotaktischer Satz endlich zu einem Ende kommt. Ich feiere diesen Gedenktag nicht ausdrücklich, auch, weil meine Nachbarin Barscheck meint, dass gerade bei mir kein besonderer Handlungsbedarf zu Ehren des Schachtelsatzes bestünde.

Wie dem auch sei: Es gibt  auf den ersten Blick wahrlich keine Notwendigkeit für einem weiteren Gedenk- oder Aktionstag. Ob Tag der Bratwurst am 16. August oder Tag der Zwiebelringe am 22. Juni, jeder einzelne Tag des Jahres ist meist mit gleich mehreren weltwichtigen Themen belegt. Es sind halt nur 365 Tage im Angebot. Allerdings: Ein Datum ist noch frei. Zwischen dem Tag der Zahnfee (28.Februar) und dem Welt-Komplimentetag am 1. März, wäre noch ein Plätzchen. Auch wenn das nur alle vier Jahre der Fall ist: Der 29. Februar. Der als Schalttag unaufdringlich für die Wiederherstellung der Ordnung im Kalendergefüge sorgt. Da könnte man doch…

Bitte, bevor Sie jetzt anfangen mit alten Taschenkalendern nach mir zu werfen: Angesichts einer Welt, in der sich größenwahnsinnige Präsidentendarsteller im Verfolgungswahn nur Tage nach dem tragischen Tod des russischen Oppositionellen mit Alexej Nawalny vergleichen, gewaltgeile Diktatoren bei geringfügigen Anlässen mit Atomwaffen wedeln, rechtsradikale Möchtegern-Führer von Massendeportationen schwadronieren und bei allen möglichen Demonstrationen gefühlt Zukurzgekommener persönliche Angriffe oder zumindest Gewaltaufrufe wie „Hängt sie auf“ oder ähnliche Parolen schon zur alltäglichen Grundausstattung gehören – wir könnten noch einen Tag zum Luftholen brauchen.

Von den Hass-Eruptionen im Netz, die wir schon längst als unvermeidlichen digitalen Beifang zu akzeptieren bereit sind, gar nicht zu reden. Da wäre doch – wenigstens alle vier Jahre – ein Tag zum Gebrauch unserer natürlichen Intelligenz dringend geboten. Der internationale „Wirf Hirn vom Himmel“-Tag, 24 Stunden zur Feier der Möglichkeit, die Klappe zu halten, bis man’s mit Nachdenken zumindest mal versucht hat. Gut, ist vielleicht zu viel verlangt. Aber wenigstens einen Tag, an dem man mal einen Schritt zurück tritt vom Geschehen, mal hinguckt bevor man losplärrt und sich  Zeit nimmt, über sich selbst zu lachen? Sagen wir: Der Welttag des Innehaltens?

Meine Nachbarin Barscheck meint allerdings, jetzt würde ich doch ein bisschen zu sehr auf Bedächtigkeit und Altersweisheit machen. Sie befürchtet schon den Ankauf einer beigen Windjacke. Ist natürlich Quatsch: Erstens hab ich so eine schon und zweitens: Der Internationale Tag der älteren Menschen ist erst im Oktober. Schalttag ist schon nächste Woche.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 23.02.2024 und in "Der Morgen" am 24.02.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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