SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Alles auf Anfang“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 29.12.2023 16:45 Uhr

Nr. 968

Nicht dass Sie denken, ich glaubte an übernatürliche Erscheinungen, aber trotzdem… Und genau deswegen heißt der Aber-Glaube ja auch Aberglaube. Wegen: „Aber es könnte vielleicht doch was dran sein.“ Also meine Theorie, offiziell kommt es von „aber“ in der Bedeutung „verkehrt, falsch“ – und natürlich legt der jeweils herrschende Glaube fest was „aber“ ist. Glaube ist bei uns beispielsweise, dass sich Wein in Blut verwandeln kann, oder wirkstoffloses Wasser durch rhythmisches Schütteln in hochwirksame Medizin.

Aberglaube jedoch sind nach verbreiteter Vorstellung zum Beispiel die Geschichten um die „Raunächte“, die „Zeit zwischen den Jahren“, wie das bei uns genannt wird. Also von Weihnachten bis zum 6. Januar. In dieser Zeit, erzählt man sich, ziehen wahlweise Frau Holle, die Perchten, irgendwelche Dämonen und Geister, die Wilde Jagd und Werwölfe durch die Gegend. Da bleibt man besser zuhause und vertilgt die Reste vom Feste. Auf keinen Fall darf man Wäsche waschen und aufhängen – das mögen die Geister nicht so. Unglück und Tod kommen dann im Neuen Jahr über die Wäscher:innen.

Tiere sollen übrigens in den Raunächten gelegentlich die menschliche Sprache sprechen und Auskunft über die Zukunft geben. Dummerweise ist aber ein Mensch, der das gehört hat, unweigerlich des Todes. Und wozu dann noch Prognosen? Also verbannen Sie Hunde, Katzen oder Goldhamster besser in diesen gefährlichen Nächten aus dem Schlafzimmer. Fische sind meines Wissen okay, aber Vorsicht vor Papageien! Eines jedenfalls ist schon mal gewiss: Das Neue Jahr beginnt mit einem Berg dreckiger Wäsche – siehe oben. Ansonsten gilt grundsätzlich: 2024 wird wie 2023, nur einen Tag länger, wegen Schaltjahr.

Und natürlich die Wahlen! 2024 ist ein Superwahljahr – was keineswegs heißt, dass alles super wird. Im Gegenteil: Den meisten Umfragen zufolge wird die AfD in Sachsen und Thüringen wohl stärkste Partei und Donald Trump amerikanischer Präsident. Putin wird vermutlich auch nicht abgewählt. Dafür gibt’s in Deutschland mit der Fußball-EM wieder mal ein Sommermärchen  – ob wir zu dessen Ende dann die Prinzessin gekriegt haben oder wieder einmal in einem genagelten Fass den Berg der Schande runterrollen – das fragen Sie vielleicht doch besser Ihren Kater. Oder einen befreundeten Oktopus. Auch ob Friedrich Merz im kommenden Jahr schon Scholz wird anstelle des Scholzen, wer will das sagen?

Fest steht: Nostradamus oder seine Schwester, vielleicht auch irgendeine halbblinde kaukasische Prophetin oder deren stumme Cousine haben unserem Land für 2024 großes Unglück vorausgesagt. Was das nun über den Fall Merz sagen will, das müssen Sie selber entscheiden. Die Katastrophe liegt ja immer im Auge der Betrachterin. Unser Treppenabsatz beschränkt seine magischen Tätigkeiten auch dieses Jahr wieder auf das traditionelle Bleigießen – das wir selbstverständlich schon lange mit ungiftigen Substanzen durchführen, aber „Wachsgießen“ klingt einfach doof. Und wie jedes Jahr werden meine Nachbarin Barscheck und ich wieder lange diskutieren, ob das gegossene Chaos nun einen Geldsack darstellt, ein neues Saarvenir oder einfach das Kabelverhau hinter meinem Schreibtisch. Barscheck hat vorsichtshalber genug Rotwein im Schrank, um irgendwann zu einer schlüssigen Interpretation zu kommen.  Alles weitere dann im Neuen Jahr. Guten Rutsch.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 29.12.2023 und in "Der Morgen" am 30.12.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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