SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Love me: Gender!“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 08.12.2023 16:45 Uhr

Nr. 965

Nicht dass Sie denken, ich hätte nichts zu lachen. Manchmal weiß ich gar nicht, worüber ich mich zuerst amüsieren soll. Gerade hatte ich wieder die schwere Wahl zwischen den neuen Plänen für eine Nürnberger Magnetschwebebahn und dem Söderschen Genderverbot für bayrische Schulen und die weiß-blaue Verwaltung.

Im Falle des neuen „Transrapid“ lässt einen natürlich schon die Erinnerung an die berühmte Stoiber-Rede grinsen. Sie wissen schon: „Wenn Sie in den Münchner Hauptbahnhof einsteigen, dann sind Sie in zehn Minuten…“ irgendwo zwischen Niederbrunzingen und Deppendorf. Kann man immer wieder hören, ist wie „Dinner for one“. I think we have Weißbier with the Wurschd.

Letztlich find ich aber die großspurige Gender-Attacke der Söderin noch eine Spur besser: Wie das Ministerpräsident da im Namen der Freiheit, im Kampf gegen die Bevormundung der Menschen durch die links-grüne Gutmenscherei lautstark ein Verbot des Genderns verhängt – große Klasse! Und dabei nicht mal merkt, wie die Logik da ins Stolpern gerät, wie die Markus nach der vierten Maß. Und im Anschluss direkt der verhassten Ampel in Berlin zum Thema Cannabis-Legalisierung entgegenschleudert: „Haben wir keine anderen Probleme in Deutschland?“ Doch, haben wir, aber das Gendern ist deren größtes nicht.

Dafür haben wir – Gott oder wem auch immer sei gedankt – aber Expert:innen für alles und jedes, und die Wochenpostille FOCUS hat einige davon gar zu einem EXPERTS-Circle zusammengefasst. Weil das laut FOCUS „die beste und breiteste Auswahl an Experts“ ist, gibts dort natürlich auch einen Rhetorik-Expert, der sich umgehend sprachschützerisch vor seinem/r Ministerpräsident:in in den Verbalmüll wirft und loslegt: „Der moralische Impetus des Genderns erzeugt eine Reaktanz, die sich in der breiten Ablehnung in der Bevölkerung ablesen lässt.“ Erzeugt bei mir umgehend eine Reaktanz, die sich an würgenden Geräuschen über der Sanitärkeramik ablesen lässt. Ob die Verkürzung des Wortes Experte zu Expert vielleicht doch einem versteckten Gendern zu verdanken ist oder einfach nur dem allgemeindoofen Anglisieren, weiß niemand nicht. Wenn aber der Expert zum Reaktanz bittet, ist auf jeden Fall schon mehr Sprachschaden angerichtet, als es jedes Gendersternchen je vermöchte.

Liebes Ministerpräsident Söder, häng aber auf jeden Fall bitte die Zettel mit dem Genderverbot einfach an die Kruzifixe, die du du ja eh schon angeordnet hast. Damit sparst du dem Staatssäckel wenigstens ein paar zusätzliche Nägel. Und der Gottestochter wird’s schon nix ausmachen. Ob du damit allerdings der Partei von Vogelschiss-Gauland und Fascho-Björn irgendwelche Stimmen abnehmen kannst,  ist doch mehr als fraglich. Zumal dir der Flugblatt-Aiwanger mitsamt seinem Bruder beim Rechts-Anbiedern doch immer noch eine Haferlschuhlänge voraus ist. Übrigens: Hessens neue große Koalition war auch schon vornedran mit einem Genderverbot für Schulen und Universitäten. Und hat schon was gelernt dabei: Dass sie den Universitäten das gar nicht verbieten kann, wegen Freiheit der Wissenschaft und dem ganzen Gedöns.

Meine Nachbarin Barscheck weist auch daraufhin, dass das Thema „Gendern“ nicht etwa „ein typisch deutsches“ Phänomen ist. Frankreich, Polen, Spanien ringen auch mit den Möglichkeiten, Frauen auch sprachlich sichtbarer zu machen. Finnland und Schweden haben sogar schon ein geschlechtsneutrales Pronomen erfunden, das auch rege von der Bevölkerung benutzt wird. Es heißt „hän“ oder „hen“. Liegt meiner Nachbarin als geborener Schwäbin natürlich besonders. „Hän die nix gescheits zom due?“ Offenbar nicht.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 08.12.2023 und in "Der Morgen" am 09.12.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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