SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

"Skandal-Kunst"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 01.12.2023 16:45 Uhr

Nr. 964

Nicht dass Sie denken, ich gäbe hier mal wieder den Pingeligkeits-Meister. Den sprachlichen Korinthenkacker und Erbsenzähler. Aber man wird doch wohl noch genau hingucken dürfen, oder? Vielleicht sogar müssen.

Also: Da hat nun die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz die Ausstellung der jüdischen Künstlerin Candice Breitz abgesagt. Diesen Vorgang betitelt die BILD-Zeitung mit der Schlagzeile: „Sie unterstützt Israel-Hasser. Saarland schmeißt Skandal-Künstlerin raus.“ Sich darüber aufzuregen ist wahrlich vergeudete Lebens-Energie. Das muss so. Sprachlich differenziertere Sätze verstehen BILD-Leser:innen halt nicht. Meinen offenbar die BILD-Schreiber:innen. Wenn Sie sich damit irren, was ich glaube und hoffe, sollten die für dumm verkauften Leser:innen das „ihrer“ Zeitung mitteilen. Soll mich freuen.

Aber darum geht’s mir ja gar nicht. Und auch nicht um die Wahrheit dieser Betitelung. Natürlich hat weder „das Saarland“ – wer auch immer das sei – Frau Breitz das Ausstellen untersagt, noch zogen saarländische Frauen und Männer mit geschwungenem Kochlöffel oder Dreschflegel durch die Auen, um sie künftig am Betreten oder Befahren der saarländischen Scholle zu hindern. Das hätten wir bestimmt erfahren. BILD war dabei… Egal. Interessant allerdings wird es, wenn wir in der Begründung der absagenden Stiftung lesen, die Ausladung sei "in Anbetracht der medialen Berichterstattung über die Künstlerin" geschehen. Also zum Beispiel aufgrund solcher Text gewordener Geifer-Spritzer, wie der eben zitierten? Man wüsste ja schon gerne, welche Medien die Verbietenden da so gelesen haben. Und warum man sich darauf bezieht, statt auf Äußerungen der Künstlerin selbst. Ach so, mit der hat man ja gar nicht gesprochen.

Aber man hätte ja zumindest im offenen Brief der 100 jüdischen Intellektuellen in der taz, den Candice Breitz unterzeichnet hat, lesen können: „Es gibt keine Rechtfertigung für vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten durch die Hamas.“ Ist doch ziemlich eindeutig. So wie jetzt auch wieder im Interview beim SR. Auf die Frage „Halten Sie die Hamas für eine Terrororganisation?“ antwortet die Künstlerin: „Absolut, keine Frage.“ Scheint mir auch eine recht klare Position zu sein. Was also hat die international renommierte Artistin gesagt, getan oder geschrieben, das sie im Saarland zur Un-Ausstellbaren macht?

Sie spricht (auch) über das palästinensische Leid? Und (ebenfalls auch) über Unrecht und rechtswidrige israelische Angriffe gegen Palästinenser? Oder liegt es daran, dass sie darauf besteht, für sie sei "das Leben palästinensischer Kinder gleichwertig mit dem von jüdischen und israelischen Kindern"? Meine Nachbarin Barscheck macht sich besonders diesen Satz voll und ganz zu eigen. Sie will aber auch nicht im Saarland-Museum ausstellen. Glücklicherweise. Ich auch nicht, wüsste auch nicht was. Aber ich würde nach wie vor gerne die Werke von Candice Breitz dort sehen können. Und wenn es darüber hinaus differierende Ansichten zur aktuellen Nahost-Krise gibt, sehr sehr gern auch mit der Künstlerin darüber sprechen. Dann brauchte ich mich nicht in irgendeiner „medialen Berichterstattung“ über deren Haltung zu informieren.

Ich bin sicher, genaues Zuhören würde allen Beteiligten mehr helfen, als Rauswürfe aufgrund schwammiger Vorwürfe. Zuhören und Reden scheint mir auch angemessen, bevor wir in Deutschland anfangen, jüdischen Menschen zu erklären, welche Sicht sie auf ihren eigenen Staat haben dürfen. „Das eine Israel“ gibt es nun mal genauso wenig wie „die Palästinenser“ oder „das Saarland“. Muss man aushalten.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 01.12.2023 und in "Der Morgen" am 02.12.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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