SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

"Triumph und Niederlage"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 17.11.2023 16:45 Uhr

Nr. 962

Nicht dass Sie denken, ich neigte zu Herbstdepressionen, aber diese Woche zwischen Sessionseröffnung und Volkstrauertag, zwischen „Viva Colonia“ und „Ich hatt einen Kameraden“ kann nun wirklich auch dem positivsten Zeitgenossen aufs Gemüt schlagen.

Für die regierende Ampel hat das Trauern in diesem Jahr sogar schon am Mittwoch begonnen: Das Bundesverfassungsgericht hat die Umbuchung der sechzig Milliarden aus dem Corona- in den Klimatopf kassiert. Womit das eingetreten ist, von dem Habeck sagte, das würde „Deutschland wirtschaftspolitisch wirklich hart treffen, wahrscheinlich so hart, dass wir das nicht bestehen werden.“ Klingt nicht gut.

Aber wie bei den meisten Nachrichten hängt Leid oder Freud ja immer vom Betrachter ab. Der Union, die ja die Klage beim Verfassungsgericht angestrengt hatte, dürfte da wohl schon ein bisschen nach Schunkeln zumute gewesen sein, aber das tut man natürlich nicht als gerne bald wieder staatstragende Fraktion. Nein, „kein Triumphgeheul“ solle sich erheben, sagte Unions-Fraktions-Geschäftsführer Thorsten Frei. Was zu der Frage führt, was Herr Dobrindt und Herr Spahn eigentlich gerne geheult hätten. Wenn die gebremste Fassung beim einen schon „eine Vollklatsche“ für die Regierung, beim anderen gar „eine Klatsche mit Doppel-Wumms“ für die Ampel lautete. Manche Fragen will man aber vielleicht auch lieber nicht beantwortet haben.

Friedrich Merz jedenfalls trat mit stolz gesträubtem Vorderhaupt-Bürstchen vor die Öffentlichkeit und sprach: „Ein großer Erfolg für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“! Na also! Freut Euch! Wohl nicht mehr zu finanzieren: „Die Senkung der Stromkosten für alle Verbraucherinnen und Verbraucher“ – Juhuu! Keine Kohle mehr für „die Förderung von Gebäudesanierung – Fenster, Türen, Dämmung oder eben auch Wärmemittel“. Yippieeh! Leere Kasse auch für „die Förderung von E-Mobilität inklusive der Ladesäuleninfrastruktur“ - Yes! Da simmer dabei, dat is prima..! Ausbau der Fernwärme klappt auch nicht? Macht nix, is ja Klimawandel, wird’s eh wärmer. Man muss die Feste feiern wie sie fallen.

Nur die Spaßbremsen von der Regierungsampel wollen wieder mal nicht mittun. Na gut, die trickreiche Umbuchung der Corona-Milliarden war ja praktisch das Startkapital für die Fortschrittskoalition, weil dieser Fortschritt ja so unverschämt viel Geld kostet. Und der Lindner trotzdem den Fuß auf der Schuldenbremse hält, um mit Vollgas in die Zukunft zu fahren. Nicht nur Fahrlehrern wird da ein bisschen schwummrig. Aber wo bleibt das Vertrauen in die Führung? Lindner hat ja, so sagte er schon vor dem Urteil, einen Plan B. Den er allerdings bisher noch nicht verraten will. Klar ist schon mal: Keine Steuererhöhungen, keine Sonderbelastungen für die Reichen und Superreichen, keine neuen Schulden. Und die Quadratur des Kreises erledigt er dann am Nachmittag.

Meine Nachbarin Barscheck, übrigens auch Steuerzahlerin, befürchtet allerdings, dass der geheimnisvolle Plan B wieder mal in drastischen Kürzungen der Sozialleistungen bestehen wird, wie ja eh schon begonnen. Und das Kulturgedöns muss ja auch nicht unbedingt sein, ebenso wenig wie die viel zu teuren Leistungen für die Asylbewerber und anderen Flüchtenden.  Lindner, meint meine Nachbarin, sei sowas wie der böse Bruder von Robin Hood: „Nehmen wir’s von den Armen und verteilen es an die Reichen!“ Guter Plan – die Armen können sich ja nicht so gut wehren. Wahrlich – das Volk hat so einiges zu betrauern in diesen Tagen.

 

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 17.11.2023 und in "Der Morgen" am 18.11.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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