SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„spy versus spy“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 10.11.2023 16:45 Uhr

Nr. 961

Nicht dass Sie denken, ich sei so blöd, dass ich alles glaubte, was man mir so auf den Bildschirm schubst. Andererseits bin ich natürlich auch nicht so schlau, dass ich jeden Versuch sofort und zweifelsfrei bemerkte, mich mit gefaktem Bild- oder Textmaterial, man sagt da wohl heute „content“, aufs Glatteis zu führen. Hängt freilich auch davon ab, wie blöd oder intelligent der oder die content-producer:in war. Beziehungsweise deren oder dessen ausführendes Organ. Womit ich jetzt nicht Hirn oder Hand meine, sondern den digitalen Rechenknecht. Der ja heutzutage durchaus auch über Intelligenz verfügt. Künstliche natürlich.

Und wenn man den Veröffentlichungen in der Presse noch glauben kann, werden die entsprechenden Fähigkeiten dieser Maschinen immer häufiger dafür genutzt, z.B. gefälschte Bilder zu erstellen und in den bereits gierig darauf wartenden Medien zu verbreiten. Kennen wir doch alle: Papst in Daunenjacke, Frau Selenskyj beim Juwelen-Shopping in USA, Donald Trump bei seiner Verhaftung oder Putin im freien Kniefall vor Xi Jinping. Fällt man natürlich nicht drauf rein - es sei denn, man hat schon lange das Gefühl, dass bei den Selenskyjs auch nicht alles so ist. Oder es leuchtet einem vollkommen ein, dass Putin jetzt sein Heil auf dem Teppich vor Chinas Machthaber suchen muss. Dass es wünschenswert wäre, wenn das stabile Genie aus den USA mal eine Zeitlang unter Verschluss genommen würde… fänd ich auch ganz schön. Schon ist der Weiterleiten-Button nur zeigefingerweit entfernt und die Sache geht viral. Und morgen früh erzählt Ihnen Ihr Arbeitskollege davon, nicht ohne Hinweis auf die Wahrheit der Nachricht. „Hab ich selber auf TikTok gesehen!“

Wobei nicht alles noch so halbwegs harmlos ist, wie in den erwähnten Beispielen. Der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Norbert Kleinwächter beispielsweise postete ein Bild einer mit hassverzerrten Gesichtern brüllenden Meute bärtiger, dunkelhaariger und -häutiger junger Männer zur darübergelegten Parole „Nein zu noch mehr Flüchtlingen!“ Komplett computergeneriert das Machwerk. Klar kann man verstehen, dass gerade die AfD dringenden Bedarf an künstlicher Intelligenz hat, aber ok ist das trotzdem nicht.

Und sicher sind die nicht die einzigen, diese Art der Desinformation ist auf dem Vormarsch. Weltweit. Parteien, Regierungen, Militärs und Geheimdienste lassen die KI munter an tollen Texten tüfteln und bunten Bildern basteln. Besonders häufig vor Wahlen. Gegen diese Verdummungsversuche muss etwas unternommen werden. Und zwar am besten, meint das DFKI, mit Hilfe künstlicher Intelligenz. Das leuchtet ein. Und so werden dort bereits KI-Systeme darauf trainiert,  Fälschungen durch KI-Systeme zu entlarven. Was leider schwierig ist. Nicht nur, weil die Fakes so gut gemacht wären, sondern, weil man gezielte Desinformation ja auch noch von schlichten Irrtümern, von Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung trennen muss. Oder von religiösem Kram. Und dazu muss die KI dann unbedingt von natürlichen Menschen trainiert und überprüft werden.

Meine Nachbarin Barscheck meint,  dann könnten wir doch gleich selber aufpassen. Ihr Tipp: Gefakte Bilder erkennt man häufig an der zu makellosen Haut der Abgebildeten oder an schlecht gepixelten Händen und Ohren. Ein sechster Finger soll auch schon gelegentlich zu sehen gewesen sein. Also Obacht! Oder wir schauen ganz entspannt zu, wie die eine KI content erstellt, den die andere KI dann anguckt und liest. Sollen die sich doch die Bytes um die schlecht gezeichneten Ohren hauen! Wir lassen die Bildschirme öfter mal aus und nehmen uns Zeit für dumme Gespräche.


 

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 10.11.2023 und in "Der Morgen" am 11.11.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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