SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Hier kommt der Eier-Mann“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 03.11.2023 16:45 Uhr

Nr. 960

Nicht dass Sie denken, ich könnte nicht auch mal harte Entscheidungen treffen! Der Brokkoli am Marktstand sieht heute gar nicht gut aus? Das Hüftsteak am Stand nebenan aber schon? Dann fällt der Veggie-Day eben mal aus. Knallhart durchentschieden. Muss auch mal sein. Generell aber ist mir der Wunsch nach Härte immer ein wenig suspekt. Nur die Harten kommen in den Garten! Und die Weichen? Müssen drinnen warm duschen? Ich wüsste, wie ich mich da entschiede. Grad bei dem Wetter zur Zeit.

Aber Härte ist gefragt. Vor allem in der Politik. Harte Männer, die hart durchgreifen. Ja, klingt ein bisschen nach Bernd Höcke, oder wie der heißt. „Nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft!“ Oder wie Pistorius sagt: Es braucht einen „Mentalitätswechsel“ hin zu mehr Wehrhaftigkeit. Klingt zwar ähnlich, ist aber was anderes, der würde auch Frauen nehmen. Wenn sie hart genug sind. Wann ist der Mann ein Mann? Wenn er Eier hat. Tim Schreiber nach dem FC-Sieg über die Bayern: „Wir haben heute Eier bewiesen.“ Muss man die beweisen? Und wie? Durch Toreschießen, klar. Und womit machen die Frauen das? Egal, Fragen bringen uns da nicht weiter. Antworten sind gefragt. 

Olaf Scholz, der nach den letzten Landtagswahlen offenbar vom soften Zauderer zum harten Macher zu mutieren versucht, hat im Spiegel verkündet: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“ Wozu es natürlich „eine gewisse Härte“ braucht, aber eben eine, die uns „nicht zu Unmenschen“ macht. Weil der Olaf ja in der SPD ist und nicht in der AfD. Von der will er nur die Wähler. Und Wählerinnen, selbstverständlich. Aber Grenzsicherungen und feste Kontrollen und Abschiebungen und Sach- statt Geldleistungen können ja auch menschlich sein. Nich wahr, Herr Pastor? Auftritt Gauck: „Wir müssen Spielräume entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen.“ Genau. Weil, die hören auf, inhuman zu klingen, wenn man erst mal ein bisschen darin gespielt hat.

Ist auch alles eine Frage der Sprache. „Obergrenzen“ kam nicht so gut, schon södert es aus Bayern von „Integrationsgrenzen“. Auch „Asyltourismus“ hatte nicht so gute Presse, aber über „Pullfaktoren“ kann man immer reden. Das meint alles, was den potentiellen Asylsuchenden nach Deutschland ziehen könnte: Von Zahnersatz bis Sozialhilfe und Familien-Nachzug. Das pullt alles. Muss also weg. Die überweisen ja sogar von ihrer Asylantenhilfe einen Teil in ihre Heimatländer zurück! Muss man sich mal vorstellen! Andererseits können sich die Angehörigen im Heimatland so vielleicht eher über Wasser halten statt auch noch fliehen zu müssen?  Kann sein, merkt aber niemand, bringt also auch keine Wähler:innen.

Besser sind da Bilder von Frau Faeser, die in Marokko über die Rücknahme von Flüchtigen verhandelt. Immerhin über zwei Minuten zur Prime Time in der Tagesschau. Da geht’s um eine „bilaterale Vereinbarung auf Augenhöhe“. Die aber letztlich nur „einige hundert Menschen“ betrifft, die irregulär nach Deutschland gekommen sind. Aber diese Zahl haben die meisten schon nicht mehr gehört. Hauptsache es beweist ihnen endlich mal jemand die Eier und schafft die Ausländer weg. Aber nicht so inhuman. Der Höcke hat zwar Recht, wenn er sagt, der deutsche Mann sei zum Opfer „einer großen Verschwulung“ geworden. Aber das macht einen ja nicht gleich zum Unmenschen. Meine Nachbarin Barscheck hat da so ihre Zweifel. Und guckt Frauenfußball.


 

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 3.11.2023 und in "Der Morgen" am 4.11.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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