SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

"Einnahmen-Ausfall"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 20.10.2023 16:45 Uhr

Nr. 958

Nicht dass Sie denken, ich sei’s gar nicht. Nein, ich bin’s, mich hat nur ein nasenverstopfendes und stimmveränderndes Virus erwischt. Vulgo: Die herbstliche Welle der Erkältungskrankheiten. Natürlich habe ich sofort aus alten Vorräten einen Coronatest rausgesucht. Und dabei zwei Dinge gelernt: Die Dinger halten auch nicht ewig. Gut die Hälfte musste ich also entsorgen.

Bei der Anwendung eines der noch gültigen Sets, lernte ich dann zweitens, wie schnell man auch die Handhabung von Abstrichstäbchen, Teststreifen-Kästchen und Reaktionsflüssigkeit verlernt. Hatte ich mal wie selbstverständlich drauf. Aber endlich hatte ich mein Ergebnis: Ein roter Strich an der richtigen Stelle: Negativ.

Völlig vergessen hatte ich auch, wie bescheuert man mit einer schwarzen OP-Maske im Gesicht aussehen kann. Also ich. Komplett verdrängt. Trotzdem hängte ich mir das Faltrollo vor Nase und Mund – ich hatte einen Behörden-Termin und wollte keinesfalls die dort mehr als angespannte Personaldecke durch Verbreitung meiner eingenisteten Viren weiter belasten. Denn, das wissen wir ja alle, Personal ist knapp.

Wer beispielsweise Geld von öffentlicher Stelle zu bekommen hat und nach Ablauf einer angemessenen Wartefrist telefonisch nachfragt, bekommt gerne Dinge zu hören wie: „Frau Darrenberger-Wiczuk, die das bearbeitet, ist leider erkrankt. Wann Sie wieder kommt, weiß ich leider nicht.“ Ich frage in solchen Fällen nicht mehr nach einer möglichen Vertretung, nachdem beim letzten Mal allein die Erwähnung einer solchen Möglichkeit einen hysterischen Lachanfall bei meiner Gesprächspartnerin ausgelöst hatte. Vertretungspersonal ist sowas von retro.

Wie ich jetzt der Zeitung entnehmen konnte, sind auch unsere Steuerbehörden offensichtlich nicht mehr vollumfänglich funktionsfähig. „Finanzämter verschonen Reiche mit Steuerprüfungen“ stand da! Warum? Stand da leider nicht. Also, ich kann mir das nur mit Personalmangel erklären! Sonst müsste ich ja denken, dass zum Beispiel die FDP, also Herr Lindner, absichtlich… Nein, das kann nicht sein, ich bin auch kein Verschwörungstheoretiker. Ist mir einfach zu anstrengend.

Aber es ist schon komisch: Wir reden von Menschen über 500.000 Euro Jahreseinkommen! Bei dieser Gruppe hat eine Steuerprüfung noch im Jahr 2022 im Durchschnitt dem Staat 100.000 Euro eingebracht. Das moppelte sich zum Beispiel noch 2021 zu einer Staatseinnahme von 129 Millionen Euro auf. Darauf würde doch kein normaler Mensch freiwillig verzichten. Oder? Ich meine: Damit könnte man die derzeitige Landesförderung des Saarlandes für die Freie Theaterszene etwa 1.100 Jahre sichern. Oder wir könnten 496 mal sowas wie das Saarvenir entwickeln lassen. Das würde unser schönes Bundesland mit Sicherheit unverrückbar ins Hirn jedes Bundesbürgers und jeder Bundesbürgerin brennen. Wetten?

Aber ist ja nun nicht, weil: weniger Steuerprüfungen bei Reichen. Ich gebe zu, mein Hirn ist durch den Schnupfen ein wenig dumpf – aber, wenn jede einzelne dieser früheren Steuerprüfungen 100.000 Euro in die Staatskasse gespült hat, dann würde das ja bedeuten, dass praktisch jeder und jede dieser Gutverdienenden das Staatssäckel vorher um diesen Betrag beschissen hatte? Das kann und mag ich nicht glauben. Sie werden einfach vergessen haben, das ein oder andere ordnungsgemäß anzugeben. Oder hat man in dieser Einkommensklasse nicht für gewöhnlich Steuerberater und -innen?

Wie auch immer – ich geh jetzt erstmal inhalieren. Meine Nachbarin Barscheck hat mir da so ein selbstgemischtes Zeug angerührt. Davon lichtet sich der Nebel, meint sie. Zumindest in meinem Hirn.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 20.10.2023 und in "Der Morgen" am 21.10.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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