SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Daten am Steuer“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 08.09.2023 16:45 Uhr

Nr. 952

Nicht dass Sie denken, ich sei nun hoffnungslos old-school. Im Gegenteil – ich gehe und fahre durchaus mit der Zeit. Ich weiß natürlich nicht, was Sie beispielsweise tun, wenn Sie – ebenfalls beispielsweise – die oder den  Angebetete/n zu einer kleinen Spritzfahrt mit dem Auto abholen. Ja, ich weiß, „Spritzfahrt“ ist als Begriff wirklich old-school, möglicherweise auch nicht pc – also meinetwegen zum cruisen. Tür aufhalten? Okay. Und dann? Losfahren? Ich bitte Sie – schon mal einen Blick in die Datenschutzbestimmungen Ihres Fahrzeuges geworfen?

Dort könnte möglicherweise stehen: „Wenn Sie der Eigentümer des Fahrzeugs sind, müssen Sie alle anderen Mitfahrer über die in dieser Erklärung beschriebenen Datenschutzpraktiken informieren“. Genau, das sind die in 3-Punkt-Schriftgröße in blaßgrau gedruckten Buchstabenfriedhöfe, die sich irgendwo zwischen den Seiten 311 und 372 Ihres mehrsprachigen Handbuchs befinden. Haben Sie nicht gelesen? Sollten Sie aber. Denn „das Auto als Fortbewegungsmittel ist nicht länger ein isoliertes Objekt, sondern Bestandteil eines die Welt umspannenden digitalen Mobilitäts-Ökosystems." Gut zu wissen.

Im Einzelnen bedeutet das, dass Ihr Auto, wenn es denn neueren Datums ist, eher eine rollende Abhöranlage ist. Doch, die dürfen das, steht ja in den oben genannten Datenschutzbestimmungen. Je nach Hersteller sammelt ihr treues Gefährt unter anderem Informationen über Ihr Alter, Ihre Fahrtziele, Ihren Musikgeschmack, Ihre ethnische Zugehörigkeit oder sogar über „sexuelle Aktivitäten“. Letzteres gibt beispielsweise NISSAN freimütig zu. So wie auch VW nicht damit hinterm Berg hält, dass sie „aus all den gesammelten Informationen ein Profil von Ihnen erstellen können, das Ihre Vorlieben, Eigenschaften, demografischen Merkmale und Fahrzeugnutzungsmuster widerspiegelt“.  Und die geben sie dann gerne an Dritte weiter, die ebenfalls gerne dafür bezahlen. Oder dachten Sie, dass das bisschen Geld, das Sie dem Autoproduzenten für Ihr schickes Modell bezahlt haben, ausreichen soll? Ich bitte Sie – haben Sie sich mal die Gehälter und Boni der Vorstandsmitglieder angeschaut?

Und falls Sie jetzt denken sollten, ich malte mal wieder schwarz oder dächte mir solche „Brave-New-World-Szenarien“ gar nur aus: Mozilla – nein, das ist nicht der Riesenaffe mit der Vorliebe für Hochhäuser und blonde Hollywood-Diven, sondern eine amerikanische Non-Profit-Stiftung – hat gerade 25 Automarken auf ihren Umgang mit der Datensammelei und den entsprechenden Richtlinien geprüft. Und festgestellt, dass keine, in Worten: KEINE der untersuchten Marken auch nur annähernd an akzeptable Standards herankommt.

Aber – um mal auf die Ausgangssituation zurückzukommen: Ist ja auch nicht nur schlecht. Für Gesprächsstoff mit dem oder der Beifahrer/in ist gleich zu Anfang gesorgt, Schüchterne wissen das zu schätzen. Und wenn Sie durch sind mit dem Kleingedruckten, fragen Sie einfach den Bordcomputer nach einer romantischen Restaurantempfehlung auf der Basis Ihrer finanziellen Möglichkeiten. Die kennt das System natürlich auch längst. Und das Wissen, dass Ihr Auto alles sieht und hört hilft Ihnen möglicherweise auch dabei, Dummheiten auf dem Rücksitz zu vermeiden, wie Sie in meiner Jugend zumindest doch gelegentlich vorkamen. Old School halt.

Meine Nachbarin Barscheck steuert noch den Hinweis bei, dass es doch schön ist, wenn einem wenigstens einer verlässlich zuhört. Aber die spricht ja auch mit ihrem Fahrrad.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 08.09.2023 und in "Der Morgen" am 09.09.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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