SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Highway from hell“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 25.08.2023 16:45 Uhr

Nr. 950

Nicht dass Sie denken, ich wüsste immer und überall, wie es in den Hirnkästen meiner Mitmenschen so ausschaut. Vermutlich im wesentlichen so oder so ähnlich wie in dem meinen – sprich: Wie bei Hempels unterm Sofa. Weil ja immerzu neuer Krimskrams und neues Zuppelzeugs von allen Seiten reinkommt und wer hat schon die Zeit, da immer gleich hinterher zu räumen?

Somit kann ich also nur spekulieren, was sich da in der ja weitestgehend kahlen und somit für Gedankenanflüge vermutlich gut zugänglichen Birne unseres Kanzlers abgespielt haben mag, als er bei einer Wahlkampfrede in München angesichts demonstrierender Pazifisten die Worte sprach: „Und die, die hier mit Friedenstauben rumlaufen, sind deshalb vielleicht gefallene Engel, die aus der Hölle kommen, weil sie letztendlich einem Kriegstreiber das Wort reden.“ Potztausend nun aber! Da kann man sich als im Laufe der Lebensjahre doch recht geübter Weltbenutzer schon mal fragen, wie denn ein laut Wikipedia „bekennend konfessionsloser“ Hanseat zu solch biblischer Wortwahl kommt.

Vielleicht ganz säkular? Lief im Kanzlercoupé womöglich der alte Chris-Norman-Schmachtfetzen „Broken heroes and fallen angels“, wo es am Ende des Refrains ja heißt: „And I’m standing here alone. I’m alone“. Das mag einem wohl passend erscheinen, wenn man als SPD-Kanzler im Bayrischen Wahlkampf auf eine Bühne muss. Oder war tatsächlich in Olafs Hotelzimmer keine andere Lektüre zu finden als die Gideonbibel im Nachtschrank? Und die klappte unter dem suchenden Kanzlerfinger ausgerechnet an der Stelle aus der Offenbarung auf, die vom Rauswurf Luzifers aus den Himmeln berichtet? Wobei der in seiner folgenden Karriere zum Chef der Unterwelt aufgestiegene einstige Topengel ja nun nicht gerade als Friedensfürst bekannt ist. Hmmm!

Andrerseits heißt es beim Propheten und Richter Samuel über den Herrn: „Er lehret meine Hände streiten und lehret meinen Arm den ehernen Bogen spannen.“ Woraus sich schließen ließe, dass das Auge Gottes durchaus mit Wohlgefallen auf den kriegerischen Künsten ruht. Und somit die Anti-Kriegspropaganda nur dem altbösen Widerpart aus den unteren Regionen zuzuschreiben sein kann. Klingt logisch – aber nicht wirklich nach Olafschen Gedankengängen.  Eher bin ich doch geneigt an einen Formulierungsvorschlag des Kanzler- Redenschreibers zu glauben. Der sich wiederum vielleicht Inspiration bei einer der zahlreich erblühten Religions-KI-Maschinen erbeten hat? Doch, doch, die gibt’s – in verschiedenen Geschmacksrichtungen, nicht nur christlich.

Schon 2017 ging in Japan ein buddhistischer Priester-Robot an den Start. Dank guter Performance und günstiger Tarife war der Blechkopf für Beerdigungen schnell bis zum Jahresende ausgebucht. Übrigens: Im christlichen Teil des weltweiten Netzes geht gerade der Kanal „askJesus“ steil. Da beantwortet ein weichgezeichneter Pastellhippie jede Frage der Erleuchtung suchenden User. Auch ganz Praktisches, beispielsweise zur Hotdogherstellung: „Du kannst die Gurken so anordnen, dass du mit jedem Bissen eine isst, oder auch anders. Wesentlich ist, mein Freund, dass du innere Freude dabei empfindest.“ Schöner hätte es auch der Meister selbst nicht sagen können.

Meine Nachbarin Barscheck erzählt dazu, dass solcherlei maschinelles Heil keineswegs neu sei! Schon in den Siebzigern hat sie in einer bayrischen Kapelle einen Automaten gesehen, bei dem nach Geldeinwurf ein das Kreuzeszeichen schlagender dunkelhäutiger Blechgeselle aus einem Häuschen fuhr.  Befremdlich, aber: wenn das Geld im Kasten klingt, der Teufel auch vom Frieden singt. Gell, Olaf?

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 25.08.2023 und in "Der Morgen" am 26.08.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja