SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

"Sieht doch gut aus"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 11.08.2023 16:45 Uhr

Nr. 948

Nicht dass Sie denken, ich kennte keine Zurückhaltung. Wenn ich auch definitiv der Meinung bin, man könne über nahezu alles lachen und auch fast ebenso nahezu über alles Witze machen, habe ich doch gelernt, dass man nicht über das Aussehen von Politiker:innen herziehen sollte. Zum einen aus dem Wissen über eigene Unzulänglichkeiten – bei Unklarheiten fragen Sie Ihren Spiegel oder die Selfiekamera Ihres Smartphones.

Und zum anderen weil es natürlich nichts über politische Standpunkte oder Fertigkeiten aussagt, ob Herr Altmaier zu dick, Frau Baerbock zu dünn, Philipp Amthor zu schmächtig, Olaf Scholz zu kahl oder Angela Merkel zu fransig auf der Birne ist. Auch da gibt es natürlich regelbestätigende Ausnahmen wie die Föhnwelle gewordene Dummheit auf Trumps Schädel oder die ölige Eitelkeit auf Andi Scheuers Haupt. Die sind allemal selbstverschuldet und doch schon irgendwie Aussagen über das, was darunter vorgehen mag.

Um nochmal auf Ex-Mutti Merkel zurückzukommen: Dem Tagesspiegel konnte ich diese Woche entnehmen, dass der Bund – also, wenn auch ungefragt, letztlich wir – seit Beendigung ihrer Kanzlerinnenschaft 55.000 Euro für „Kosmetik und Frisur“ von Frau Merkel ausgegeben habe. Im letzten Jahr allein 37.780 Ocken. Um das gute Aussehen kümmert sich eine freiberufliche „Hair and Make-Up-Artist“ aus Berlin, die die Ex auch auf Reisen begleitet. Wofür, wie der Tagesspiegel süffisant anmerkt, zusätzliche hohe Kosten anfallen, besonders „wenn die begleitende Stylistin in hochpreisigen Hotels mitlogiert.“

Ja bitte, was soll denn dieser hämische Unterton? Natürlich soll die Haarkünstlerin mit im Nobelhotel wohnen! Das gebietet nicht nur die Möglichkeit eines erforderlichen Noteinsatzes – laufende Wimperntusche, verschmierter Lippenstift, von einer unbotmäßigen Böe gezauste Haarsträhne. Oder einfach ein bad-hair-day, eine Erscheinung über deren Existenz mich erst jüngst meine Nachbarin Barscheck aufgeklärt hat. Nein, nicht nur aus solcherlei beruflichen Gründen, auch aus sozialem Anstand und Respekt heraus soll der freiberuflichen Mitarbeiterin die edle Unterkunft gegönnt sein.

Wie das Kanzleramt erklärt, begründen sich die Kosten mit der „Wahrnehmung fortwirkender Amtspflichten unabhängig davon, ob sie öffentlich oder nicht-öffentlich sind.“  Was genau jetzt nicht-öffentliche Amtspflichten sind, wissen wir nicht, weil sie ja eben nicht-öffentlich wahrgenommen werden und wir sie deswegen nicht wahrnehmen. Womit wir frei spekulieren dürfen. Nachbarschaftliche Einladung zur Kartoffelsuppe? Grillen mit anderen Expolitiker:innen? Bayreuth-Besuch in Sachen Wagner? Und wenn – selbstverständlich soll und muss Angela auch da anständig aussehen. Auch in unserem Interesse. Bestimmt lauern auch hinter uckermärkischen Sträuchern bildlüsterne Paparazzi auf ungeschönte Schnappschüsse. Nein, wir wollen nicht unsere Exkanzlerin in ausgebeulten Jogginghosen und mit verschwitztem Pony beim morgendlichen Rasenmähen in der BILD-zeitung sehen. Fällt doch letztlich auch auf uns als ihr Volk zurück. Da soll ruhig vorher noch mal die „Hair and Make-up-Artistin“ drüber gehen. Find ich gut.

Und vor allem finde ich, dass das keine öffentliche Erregung wert ist. Da gibt’s wahrlich lohnendere Anlässe. Womit wir wieder beim blondgefärbten Haarspray-Großverbraucher aus USA wären oder beim Millionen versenkenden ehemaligen Verkehrskasper aus Bayern. Da sind auch die Schadenssummen größer.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 11.08.2023 und in "Der Morgen" am 12.08.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja