SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Mission impossible“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 04.08.2023 16:45 Uhr

Nr. 947

Nicht dass Sie denken, ich dächte noch über eine Karriere in der Bundeswehr nach. Glücklicherweise brauche ich das auch nicht – die Gnade der frühen Geburt. Junge Menschen aber, sagt unser rühriger Verteidigungsminister Boris Pistorius ebenso sorgenvoll wie nachdrücklich, sollten das verstärkt tun. In den ersten fünf Monaten des Jahres haben sich schon wieder sieben Prozent weniger bei der Bundeswehr beworben als im Jahr zuvor! Was ja nicht heißt, dass sie nicht darüber nachgedacht haben – vielleicht nur einfach ein bisschen zu lange. Oder zu genau.

Aber der Bedarf ist dringend! Bis 2031 werden dringend etwa 20.000 neue Soldatinnen und Soldaten gebraucht. Es ist schließlich Zeitenwende. Aber irgendwie hat die teure und aufwändige Kampagne der Streitkräfte nicht so richtig gewirkt. Dabei hat man neben den Plakaten mit den coolen Sprüchen – „Grünzeug ist auch gesund für deine Karriere“ oder „Wahre Stärke findest du nicht zwischen zwei Hanteln“ – auch tolle Filmchen gedreht. „Die Mission“ heißt der Obertitel einer Serie zum Beispiel. Worin uns ein Rekrut verrät: „Wenn der Kampfpanzer getroffen wird, ist meistens dann Schicht im Schacht!“ Schnitt auf einen schneidigen Soldaten mit Kopfhörern, der in ein Mikrofon sagt: „Alter, gib ihm noch einen“. Wieder Schnitt auf ein schießendes Panzergeschütz. Nix für mich.

Also wechsle ich zur Folge „Oberstabsgefreiter Britta“. In der wir von einer Soldatin in Kriegsbemalung begrüßt werden mit den Worten: „Ja, ich bin Oberstabsgefreiter Britta“. Das hatte ich mir schon gedacht, nach dem Titel. Gegendert wird übrigens nicht beim Bund, das heißt „Frau Oberstabsgefreiter Britta“! Aber daran wirds wohl nicht liegen, dass die jungen Leute nicht so recht Bock auf Bund haben.

Da hat sich der Verteidigungs-Boris jetzt mal an die Bewerbungsfront begeben, in eines der schicken „Karriere-Center“ der Armee, in Stuttgart. Und da hat er einfach mal einen der dienstwilligen Jungmänner gefragt, wie er denn auf die Idee zu seiner Bewerbung gekommen sei. Der Onkel sei bei der Marine gewesen, antwortet der Soldat in spe. Als Mediziner. "Das waren immer die tollsten Erzählungen auf Familienfesten." Grundgütiger! Wenn mein Onkel Fritz nach dem dritten Weinbrand anhub vom Russlandfeldzug zu reden, leerte sich der Esstisch zuverlässig und zügig. Aber die Zeiten wenden sich halt.

Warum nur sind es so wenige Bewerber:innen? Demografischer Wandel? Konkurrenz der freien Wirtschaft? Schlechtes Image der Truppe? Ein Vertreter des Bundeswehrverbandes weiß Konkreteres: „Soldatinnen und Soldaten wohnen immer noch in maroden Unterkünften, sind weit weg von ihrer Heimat stationiert, müssen sich immer noch Ausrüstung borgen und teilen, weil einfach nicht ne Vollausstattung der gesamten Bundeswehr da ist.“ Und dann noch Überstunden ohne Ende und schikanöse Vorgesetzte – nee danke.

Und es könnte ja auch sein, dass aus traurigem aktuellem Anlass wieder mehr Menschen vor Augen geführt wurde und wird, dass Soldaten halt für den Krieg ausgebildet werden und dass so ein Krieg auch mit Vollausstattung und fahrbereiten Panzern und funktionierenden Gewehren kein Spaß ist. Meine Nachbarin Barscheck jedenfalls kann sich sehr gut vorstellen, dass gerade Frauen auch deswegen so unterrepräsentiert sind bei den Bewerbungen. Übrigens: „Wahre Stärke“, sagt sie, „stecke oft durchaus zwischen zwei Hanteln“.  Da befindet sich nämlich meist der Kopf.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 04.08.2023 und in "Der Morgen" am 05.08.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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