SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Er ist wieder da“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 07.07.2023 16:45 Uhr

Nr. 943

Nicht dass Sie denken, ich hielte mich nie an gute Vorsätze. Nee, doch! Rauchen – hab ich aufgegeben. Seit über zwei Jahren bin ich… was sagt man denn da? Trocken passt ja irgendwie nicht. Also: Rauchfrei. Weniger Fleisch? Jawoll, da passt schon meine Nachbarin Barscheck auf. Kürzlich hab ich sogar einen „Vurstsalat“ – hört man jetzt nicht so, wird aber mit „V“ geschrieben – aus geräuchertem Tofu zubereitet. Bevor Sie jetzt zu würgen beginnen: War gut, echt. Ich bin mir nicht sicher, ob das jemand bei einer Blindverkostung überhaupt bemerkt hätte.

Plastikverpackungen kommen mir kaum noch in die Tüte, die ja sowieso schon lange ein Stoffbeutel ist. Aber so glatt läuft’s natürlich auch bei mir nicht immer und in jeder Hinsicht. Ich hatte mir so fest vorgenommen, mich nicht mehr öffentlich mit Andreas Scheuer zu befassen. Sie wissen schon, unser Ex-Verkehrs-Andi, Benzin-Junkie und Mautologe… ich hab mich redlich bemüht.

Seit 2021 musste Andi bei mir draussen bleiben. Damals ging’s um die neue Autobahn-GmbH des Bundes. Sollte ursprünglich 632 Millionen kosten – als Andi fertig war mit dem Managen waren es knapp zwei Milliarden. Schwamm drüber. Selbst als er vor einem Monat zu Besuch war in den USA beim republikanischen Hoffnungsträger Ron de Santis, der „Don’t say gay“-Gouverneur und stramm rechte Trump-Ersatz, hab ich geschwiegen. Obwohl es da schon mächtig in mir gärte - oder gor. Aber ich wollte ja nicht Teil sein der „linken Erregungskultur“, die Andi im Interview nach seiner Rückkehr unverzüglich anprangerte. Weil, das sind ja die, „die immer selbst mit dem moralischen Zeigefinger unterwegs sind, selbst gleich die Definition mitliefern und die Regeln sowie Verbote festlegen wollen.“ Sagt der Scheuer. So wie Ron de Santis eigentlich, oder? Durchatmen, Brunner!

Sogar „Jeder, der mich kennt, weiß, ich bin der liberalste Mensch“ – ich schweige wie ein Graben. Sie sind meine Zeugen. Und Zeuginnen. Aber jetzt kommt die Meldung, dass uns, also Ihnen und mir und allen anderen, die Steuern zahlen müssen im Lande, die ministeriellen Eskapaden des flotten Andi nunmehr doch einen Haufen Schotter kosten, den man besser unter neue Schienen gelegt hätte. 243 Millionen Euro, genauer gesagt. Und warum? Nur weil der Bayer in Berlin den Prestigeauftrag seiner CSU durchziehen wollte und die PKW-Maut quasi mit Vollgas über die Ziellinie bringen wollte, noch bevor der Europäische Gerichtshof die Ampel dafür auf Grün hätte stellen können. Wenn er das denn getan hätte. Hat er aber nicht, was für viele damals schon absehbar war, aber nicht für den schnellen Andi. Sogar seine Geschäftspartner vom Maut-Konsortium hätten ihm angeboten, mit der Vertragsunterzeichnung lieber noch zu warten, sagen sie. Aber daran kann sich Andi nicht erinnern – genaueres ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft. Jedenfalls konnte der Minister seine Tinte nicht mehr halten und unterschrieb.

Und deswegen löhnt der Bund nunmehr besagte 243 Millionen Euro Schadensersatz an die verhinderten Mautbetreiber. Das findet der amtierende Verkehrssünder Volker Wissing „eine bittere Summe“, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass dank seiner unermüdlichen Tätigkeit die ursprünglich im Raum stehenden 700 Millionen somit doch deutlich reduziert worden seien. Da haben wir ja noch mal Glück gehabt. Danke Volker.

Was mir bitter aufstößt dabei ist, dass der, der das alles verbockt hat, völlig ungeschoren in seinen Porsche steigen darf und zu neuen Großtaten brettert. Wie sagte Andi kürzlich:  „Ich mache Politik für die überwiegende große Mehrheit der Menschen, für die normalen Menschen.“ Na servus.

 


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 07.07.2023 und in "Der Morgen" am 08.07.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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