SR 2-Kolumnist Brunner (Foto: SR)

„Klagewellen“

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 30.06.2023 16:45 Uhr

Nr. 942

Nicht dass Sie denken, ich guckte ausschließlich abgelegene, mainstreamferne Sender. Nein, ganz und gar nicht! Aber gelegentlich, wenn mir kurzfristig mal der Appetit auf geschnetzelte Frauenleiche skandinavische Art vergangen ist, und auch heimische, mit Leberkäs und Semmelnknödeln servierte Mordopfer nicht meiner aktuellen Bedürfnislage entsprechen, dann guck ich schon mal rum auf den hinteren Plätzen der Einschaltquotenränge.

Und schon erschien ein engagierter Herr auf meinem Bildschirm, der zur Unterstützung des Umweltschutzes vorschlug, der Natur als solcher die sogenannte Rechtsfähigkeit zu verleihen. Sprich: Sie in die  Lage zu versetzen, gegen den Raubbau an ihr vor Gericht zu ziehen. Tatsächlich gibt es schon Beispiele für so etwas: In Ecuador etwa. Oder in Neuseeland. Dort wurde der Whanganui-Fluss 2017 zur juristischen Person und kann somit rechtlich gegen Übergriffe vorgehen. Natürlich tritt der Fluss dazu nicht aus seinem angestammten Bett und macht das teure Parkett im Gerichtssaal nass, um persönlich Klage zu erheben, das erledigen in wie gewohnt eher trockener Manier Anwälte für ihn.

Und so würde es auch bei uns sein, sollten Landschaften, Tiere, Seen und Pflanzen solche Grundrechte bekommen. Und nein, das ist weder blöd noch absurd, noch gar ein Produkt eines durch fortgesetzten Veganismus geschädigten „linksgrün-versifften“ Politikerhirnes. Selbst Holland denkt gerade darüber nach, sein Wattenmeer klagefähig zu machen. Zum Beispiel gegen Unternehmen, die dort gerne Erdöl fördern würden. Vorhandene Gesetze zum Naturschutz lassen sich nun mal mit profunder Lobbyarbeit zugunsten der wirtschaftlichen Vorteile ändern oder umgehen. Grundrechte dagegen sind nicht verhandelbar. Und wahrlich, es fallen einem doch etliche Naturbewohner ein, die allen Grund zur Klage, aber bislang eben kein Recht dazu haben. Und sich auch nicht so einfach zusammentun können, um gemeinsam stark zu werden.

Im Gegensatz zu ihren Missbrauchern. In Bayern hat sich kürzlich eine Aktion namens „Heimatpakt“ gegründet. Da treten Gastwirte, Metzger, Bauern und Brauer „für Genuss und Lebensfreude in Eigenverantwortung“ ein. Übersetzt dafür, dass zum Beispiel auf einem großen Volksfest wie in Straubing auch in diesem Jahr wieder mindestens 34 Ochsen und 50.000 Hähnchen verschlungen werden. Runtergespült versteht sich mit ein paar Hektolitern Bier. Nix Bio, nix vegetarisch, nix vegan. Diese Heimatfront tritt erklärtermaßen gegen den Verein „Faire Wiesn“ an, der das Münchner Oktoberfest ein bisschen zeitgemäßer und umweltverträglicher machen will. Vor allem aber gegen diejenigen, die bestimmen wollen "Was wir zu tun, was wir zu lassen, wie wir zu leben haben." Wer das ist, da gibt’s ja gerade zu Wahlkampfzeiten ausreichend Winke mit der Weißwurscht.

Ehrlich,  angesichts solcher bewusstlos dumpfen Massenfresser- und Saufereien, fände ich eine Klage der Brathähnchen aus der Käfighaltung mehr als einleuchtend. Der Verband der Mastochsen aus den Stallknästen könnte sich gerne auch anschließen. Aber das wird wohl nicht geschehen. Nicht hierzulande, wo „Heimatliebe“  mit Promille, erhöhtem Cholesterinspiegel und Bluthochdruck bewiesen werden muss. Wie meine Nachbarin Barscheck sagt: Man kann nicht genug klagen.

 


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 30.06.2023 und in "Der Morgen" am 01.07.2023 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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