„Gaudibursch und Marktgeschrei“
Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören
Sendung: Freitag 23.06.2023 16:45 Uhr
Nr. 941
Nicht dass Sie denken, ich nähme mir jede Äußerung von Markus Söder besonders zu Herzen. Keineswegs, und das gilt auch für die letzten Aus- und Einlassungen des krachledernen CSU-Chefs in puncto Demoauftritt mit Aiwanger. Aber man hat ja auch noch ein Hirn, das gelegentlich einfach so vor sich hindenkt, über alles mögliche, was ihm so in die Windungen gespült wird. Was soll ich also machen?
Mein Hirn verlangt Nachdenken darüber, was der Markus wohl gemeint hat mit seinem Statement: „Ich bin weder ein Gaudibursch noch ein Marktschreier.“ Fängt ja schon mal damit an, dass unsereiner nicht gleich parat hat, was das überhaupt ist, ein „Gaudibursch“. Die Übersetzung „Freudenjunge“ scheint da nicht zum Ziel zu führen. Aber wen fragen, in einem Land, in dem bavarian native speakers so selten anzutreffen sind wie Weißwurschtzutzler morgens um 11 am Staden? Blöde Frage, natürlich die Suchmaschine unserer Wahl!
Und siehe: Klicket an und euch wird kundgetan: Ein Gaudibursch, das ist einer, „der das Leben leicht nimmt, immer zu Späßen aufgelegt ist und für Stimmung sorgt; ein Spaßvogel“. Ja, das sei der Söder Markus wirklich nicht, sagt meine Nachbarin Barscheck, weil sie findet, dass der Spaß spätestens dann aufhört, wenn einer keine Gelegenheit auslässt, um gegen Zwangs-Gendern, Insektenburger und Klima-Terrorismus zu wettern.
Andererseits: Gerade machte der Länder-Ministerpräsident auf Außenpolitik, empfing den chinesischen Staatschef, ließ Trachtenmädels aufmarschieren und behauptete, er würde auch über Menschenrechte mit dem Chinesen reden. Das ist schon eine Gaudi, oder? Und Marktschreier? Ist er auch nicht? Gut, er ist vielleicht eher ein Bierzelt-Plärrer, aber inhaltlich? Da schreit er doch nur zu gerne nach dem Markt. Der, der alles regeln soll und auf keinen Fall irgendein Verbot verträgt und ständig mit der unsichtbaren Hand wedelt.
Vielleicht soll man gar nicht länger Gehirnschmalz aufwenden – der Söder ist ja nun nicht der einzige mit einer gestörten Selbst-Wahrnehmung. Aber schon einer der stärker Betroffenen. Wie könnte er sonst zum Thema Anbiederung an die AfD verkünden: "Wer kopiert, der verliert. Das Original ist in seiner Wucht dann immer stärker." Das von einem, der seine politischen Grundüberzeugungen samt entsprechender Rhetorik schneller wechselt als einer „Oachkatzlschwoaf“ sagen kann. Wir erinnern uns: Mal Vorkämpfer des AKW-Ausstiegs, dann wieder harscher Verfechter des Weiterbetriebs, schon 2007 verlangt er nach einem Aus für den Verbrennermotor, was er dann 2017 im Wahlprogramm unmissverständlich ausschloss. Keiner hat sich schamloser an grüne Positionen rangewanzt wie der Markus, als er es noch für opportun hielt. Keiner hat heftiger auf den muslimischen Mitbürger.innen herumgehauen, als der Söder mit seinem „Asyltourismus“ und Kopftuchverbot.
Dann hat er wieder Kreuze aufgehängt in Behörden und Schulen und dann behauptet, das Kreuz sei kein christliches Symbol, sondern zeige nur „unsere bayerische Identität und Lebensart“. Lustig. Zum Brüllen auch seine Definition von Toleranz: „Zu unserer bürgerlichen Toleranz gehört, dass wir unsere Werte haben und danach leben wollen“. Freilich.
Allerdings fürchte ich, der meint das ernst. Ist halt kein Gaudibursch, der Markus. Sondern nur ein opportunistischer Machtjunkie im Wahlkampfmodus. Schaumermal!
Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 23.06.2023 und in "Der Morgen" am 23.06.2023 auf SR 2 KulturRadio.
Brunners Welt
Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!
Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.
