„Zu heiß geduscht“
Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören
Sendung: Freitag 02.06.2023 16:45 Uhr
Nr. 938
Nicht dass Sie denken, mir wäre zu kalt. Oder dauerhaft zu heiß. Obwohl angesichts des zur Zeit andauernden Gerangels in der sogenannten Regierungskoalition einem schon heiß-kalte Schauer über den Rücken laufen können. Man kennt sich ja nicht mehr aus zwischen Habecks Heizungs-Hammer, Lindners Liberalen-Lall und Scholzens Schreck-Schweigen. Während Habeck den Heizungsaustausch auf dem schmalen Grat zwischen Verbessern und Verwässern noch irgendwie in die Endzone zu bringen versucht, singt der Chor der Technologieoffenen unter dem Dirigat von Maestro Kubicki so laut wie falsch: „Über 77 Brücken musst du gehen“. In der Hoffnung, dass davon mindestens eine zusammenstürzen und die lästigen grünen Ideen unter sich begraben wird. Erst wenn die letzte der sieben mal elf Fragen beantwortet ist, werdet ihr feststellen, dass die Koalition im Eimer ist.
Zumal ja dann immer noch 24 weitere Fragen einer Antwort harren, denn 101 waren es ja ursprünglich, die den Liberalen im Kopf herum gingen. Sehr unwahrscheinlich, dass die alle noch vor der Sommerpause beantwortet werden können. Und wenn: Da liegt ja auch noch das Planungsbeschleunigungsgesetz rum, aus dem Minister Wissing nur heraus liest, dass auch und zuvörderst die Planung weiteren Autobahnausbaus beschleunigt werden muss. Aber damit das dann ordentlich laufen kann, muss auch das Klimaschutzgesetz geändert werden, weil der Verkehrsliberale sonst zeitnah zur großen Entschleunigung ausholen müsste – weil er alle vorgegebenen CO2-Werte längst gerissen hat. Und wie gesagt: Wo bleibt denn da die Technologieoffenheit? Gemäß dem FDP-Kerngedanken: „Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo eine Technologie her!“
Hat doch bei der EU mit den E-Fuels prima geklappt: Das Zeug gibt’s zwar nicht in nennenswerter Menge, und wenn’s das mal gibt, brauchen das vor allem Schiff- und Flugverkehr, aber das musste noch rein in die Vereinbarungen. Und bei der Heizungswende nicht anders: Mit grünem Wasserstoff soll die Heizung künftig auch laufen dürfen! Gibt’s auch noch nicht so viel, und wenn er dann doch mal da ist, braucht den dringend die Industrie! Abgesehen davon, dass er auch schwierig in die einzelnen Heizungsanlagen zu bringen ist.
Mit Wohlgefallen kann man im liberalen Bremserhäuschen nun zugucken, wie der Habeck zu Kompromisse kriechen muss. Gestaffelter Start – neue Heizungstechnologie zunächst nur bei Neubauten, dann erst so nach und nach… Wahlmöglichkeiten – zwischen Wärmepumpe und… irgendwas anderem Regenerativen oder auch erst mal beim Alten bleiben. Bloß keine Verbote und Bestimmungen und klare Fristen! Oder, um im FDP-Sprech zu bleiben: „Wir müssen Anreize schaffen, die dafür sorgen, dass die Menschen selbst entscheiden, welche Heizung sie einsetzen und welche nicht.“ Das hat ja bislang auch schon prima geklappt. Noch besser hat nur geklappt, findet meine Nachbarin Barscheck, den ganzen Schlamassel dem Habeck und den Grünen auf die Füße fallen zu lassen.
Der Austausch von mehr als dreißig Jahre alten Öl- und Gas-Heizungen beispielsweise ist schon seit 2020 Gesetz. Verabschiedet von Schwarz-Rot. Ist aber längst vergessen, weil einfach keiner mehr davon geredet hat. Geschweige denn irgendwas gemacht. Und beim Thema Klimawandel gilt nun mal, sagt Barscheck, ganz entgegen dem Volksmund: Wer nix macht – der macht garantiert alles falsch.
Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 02.06.2023 und in "Der Morgen" am 03.06.2023 auf SR 2 KulturRadio.
Brunners Welt
Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!
Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.
