?Frohe Frühlingsfrische?

"Frohe Frühlingsfrische"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 26.04.2024 16:45 Uhr

Nr. 985

Nicht dass Sie denken, ich wäre mal wieder zu spät dran. Hinkte der Zeit hinterher und hätte den Anschluss verpasst. Keineswegs. Natürlich weiß ich, dass der Frühlingsanfang bereits hinter uns liegt. Zumindest in unseren Breiten. Und zumindest zwei davon. Ja, es gibt mehr als einen Frühling. Will man sich nach dem Lauf der Gestirne richten, dann konnte man in diesem Jahr am 20. März um 4 Uhr 6 die Schneeglöckchen läuten. 4 Uhr 6 Winterzeit, versteht sich. Da stand die Sonne im Schnittpunkt von Ekliptik und Himmelsäquator, Tag und Nacht waren gleich lang – der astronomische Frühling kam über das Land. Die Metereologen machen es sich wie immer einfach: Für sie ist jedes Jahr am 1. März der Winter zuende. Lässt sich besser rechnen.

Aber dann gibts ja noch den phänologischen Frühling, dessen Beginn und Verlauf sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten vor unseren Haustüren richtet: Der Vorfrühling dauert vom Blühbeginn der Schneeglöckchen bis die Salweidenkätzchen gelb werden, die Blüten der Forsythie markieren den Erstfrühling und erst wenn Eberesche und Wiesenfuchsschwanz blühen, ist Vollfrühling. Und das war hierzulande etwa um den 20. April herum der Fall. Voila – ich bin also durchaus just in time.

Könnte einem alles ja auch völlig schnuppe sein, gäbe es da nicht die alte Tradition des Frühjahrsputzes. Allenthalben und allerorten tauchen staubwedelnde, wischende und schrubbende Menschen auf und bewegen Staub und Schmutz von einer Stelle des Universums an eine andere. Denn das ist ja der Kern des Putzens. Schmutz ist – wie auch Geld – nie wirklich weg, sondern nur woanders. Warum gerade der Frühling die Zeit des Putzens ist, das hat historische Gründe und soll uns hier nicht weiter interessieren. Hilft ja auch nix: Es wird geputzt, so oder so.

Dank des Internets und der sozialen Medien wird das Ganze angeheizt und flankiert von sogenannten „Cleanfluenzerinnen“, die sich „Queen of Clean“ nennen oder „Clean Mama“ und uns per Kurzvideo die Lappen um die Ohren hauen. Gerne auch mit philosophischen Unterbau. "Du kannst nicht beeinflussen, was in der Welt passiert, keine Kriege in anderen Ländern verhindern. Aber du kannst deine Socken schön zusammenlegen, in eine Schublade räumen und zufrieden sein", erklärt. die britische Cleanfluencerin Ann Russell. Und so isses denn ja auch.

Und während meine Nachbarin Barscheck die Yuccapalme auf unserem Treppenabsatz abstaubt, säubert die Bundesanwaltschaft das Büro von Herrn Krah von chinesischen Agenten und versucht bei der Gelegenheit auch gleich Ordnung in den etwas undurchsichtigen Finanzen des AfD-Spitzenkandidaten zu schaffen. Mindestens ebenso wichtig wäre ein ordentliches Durchfeudeln in den Denkkästen der gesamten AfD-Spitze, aber das ist in einem einzigen Frühling wohl nicht zu schaffen. Nach neuesten Erkenntnissen der Reinigungswissenschaft ist es ohnehin nicht sinnvoll, einen einzigen Zeitraum zum Großreinemachen zu nutzen. Die Expert:innen plädieren für ganzjähriges, anlassbezogenes Putzen.

Immerhin, Putzen tut gut. "Im eigenen Bereich für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen, kann Ruhe und Klarheit im Kopf, aber auch Sicherheit und Geborgenheit erzeugen", schreibt die Psychologin Ulrike Scheuermann. Die heißt wirklich so und sollte es also wissen. Frau Scheuermann übernehmen Sie – wo doch Clementine schon so lange nicht mehr reinweicht und selbst Andi Scheuer sich aus dem Sauberkeitsgeschäft verabschiedet hat. Es tönen die Lieder, die Kärcher sie kommen, Frühling, ja du bist’s, dich hab ich vernommen! Feudel frei!


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 26.04.2024 und in "Der Morgen" am 27.04.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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