Jahresbericht 2021 des Landesrechnunshofes

Rechnungshof hat "erhebliche" Verfassungsbedenken beim Transformationsfonds

Christian Leistenschneider   30.11.2023 | 12:30 Uhr

Der Landesrechnungshof hält den saarländischen Transformationsfonds in seiner gegebenen Form für nicht verfassungskonform. Und schon vor seiner Einrichtung war der Schuldenstand des Saarlandes zu hoch, mahnte Rechnungshofpräsidentin Groh in ihrem Jahresbericht für 2021.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den Klimafonds des Bundes hat nicht nur dessen Haushaltsplanungen in ein veritables Chaos gestürzt, es hat auch in den Ländern für viel Verunsicherung gesorgt. Zum einen stehen dadurch dringend benötigte Fördergelder auf der Kippe. Zum anderen stellt sich die Frage, was aus dem Urteil für viele ähnlich strukturierte Sondervermögen wie etwa den saarländischen Transformationsfonds folgt.

Video [aktueller bericht, 30.11.2023, Länge: 3:35 Min.]
Rechnungshof zweifelt Zulässigkeit des Transformationsfonds an

Rechnungshof schätzt Fonds als verfassungswidrig ein

Im Landtag soll es dazu eine Expertenanhörung geben. Dort will auch der Landesrechnungshof eine Stellungnahme abgeben. In welche Richtung die geht, hat Präsidentin Annette Groh bei der Vorstellung des Jahresberichts ihrer Institution bereits angedeutet: Zumindest in der gegebenen Form ist der Fonds nach ihrer Einschätzung nicht verfassungskonform.

 (Foto: IMAGO / BeckerBredel)
Hält den Transformationsfonds aktuell für nicht verfassungskonform: Annette Groh, Präsidentin des Rechnungshofes des Saarlandes

Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und Finanzminister Jakob von Weizsäcker (beide SPD) hatten bereits angekündigt, den Transformationsfonds so anzupassen, dass die „außergewöhnliche Notsituation“, die Voraussetzung für die Aufnahme von Krediten ist, vom Parlament jedes Jahr aufs Neue festgestellt werden muss. Ob damit das Problem aus ihrer Sicht gelöst wäre, dazu wollte sich Groh noch nicht äußern.

„Sandwich-Jahr“ mit Haushaltsplus

Der Bericht, den Groh vorstellte, bezog sich auf 2021. Groh nannte es ein „Sandwich-Jahr“ zwischen zwei besonderen Jahren: dem Corona-Jahr und dem Transformations-Jahr, die beide für eine großen Anstieg der Neuverschuldung stehen.

Das Prüfungsjahr sei im Vergleich recht „normal“ verlaufen, sagte Groh. Unterm Strich konnte sogar ein Plus von 81 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Dennoch: Schon vor der Einrichtung des Transformationsfonds mit Kreditermächtigungen von bis zu 2,5 Milliarden Euro hatte der Schuldenstand des Saarlandes ein Rekordhoch erreicht: 14,6 Milliarden Euro betrug er Ende 2021.

Schulden müssten begrenzt werden

Damit sei der Schuldenberg zu hoch, sagte Groh. Das sei eine Gefahr für die Generationengerechtigkeit. Ihre Forderung darum: Der Schuldenstand muss begrenzt werden. Von der Einrichtung weiterer Sondervermögen riet die Rechnungshof-Präsidentin tunlichst ab. Immerhin: Eine Haushaltsnotlage drohe dem Saarland nicht.

An der Diskussion um die Schuldenbremse und die Transformationsfonds von Bund und Land zeigt sich, dass zwei Formen der Nachhaltigkeit nicht so leicht unter einen Hut zu bringen sind: ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit, Senkung des CO2-Ausstoßes auf der einen, Deckelung der Schulden auf der anderen Seite.

Kritik an kostenlosem Strom für E-Autos

Einen ähnlichen Spagat müssen viele Verwaltungen im Kleinen üben. Dass das nicht immer hinhaut, zeigt der Landesrechnungshof am Vorgehen der Landtagsverwaltung in Sachen E-Ladesäulen.

Seit 2016 hat das Hohe Haus des Saarlandes in seiner Tiefgarage nach und nach fünf Wallboxen installiert, an denen E-Autos Strom tanken können. Das sei auch prinzipiell sinnvoll, sagt der Rechnungshof, denn es könne dazu beitragen, die gesetzlich vorgegebenen Klimaziele zu erreichen.

Nicht nachvollziehbar sei hingegen, dass der Strom für die Mitarbeitenden und die Landtagsabgeordneten kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Dem hatte Landtagspräsidentin Heike Becker allerdings bereits im Herbst 2022 einen Riegel vorgeschoben.

Ungleichbehandlungen beim Pflege-Bonus

Eine weitere, wenn auch nicht mehr akute Groß-Krise beschäftigte den Rechnungshof ebenfalls noch: die Corona-Pandemie. Die Finanzprüfer schauten sich im Nachhinein noch einmal an, wie die Auszahlung des Pflegebonus und die Einrichtung der Luca-App im Saarland gelaufen ist. Ihr Fazit: Hätte besser sein können.

Die Landesverwaltung hätte bei der Bewältigung der Pandemie unter großem Druck gestanden, das erkennt der Rechnungshof ausdrücklich an. Dabei seien jedoch Fehler passiert, die sich in vergleichbaren Situationen nicht wiederholen sollten.

So sei das Land bei der Auszahlung des Corona-Bonus an Pflegekräfte von den Förderrichtlinien des Bundes abgewichen und hätte dadurch unnötigen Verwaltungsaufwand erzeugt. Weil die Kriterien nicht scharf gezogen wurden, sei es auch zu Ungleichbehandlungen gekommen.

Kaum Prüfungen bei der Luca-App

Im Falle der Luca-App, die die Nachverfolgung von Infektionsketten erleichtern sollte, hätte überstürztes Handeln dazu geführt, dass entscheidende Grundsätze ordnungsgemäßen Verwaltungshandelns wie eine saubere Dokumentation von Entscheidungen weitgehend außer Acht gelassen wurden, bemängelt der Rechnungshof. Das habe die Nachprüfbarkeit erschwert.

Prüfungsmängel hat es offenbar auch bei Unterzeichnung des Vertrags mit dem Anbieter gegeben. Denn Änderungen zugunsten der Länder, die am Verhandlungstisch erreicht wurden, fanden dort laut Rechnungshof keinen schriftlichen Niederschlag. Dass das Land zudem unhinterfragt der Übernahme einer Registrierungspauschale für alle Saarländerinnen und Saarländer zugestimmt habe, stieß ebenfalls auf die Kritik des Rechnungshofs.

In Krisensituationen handlungsfähig bleiben

Seine Mahnung: „Auch in Krisensituationen muss die Verwaltung nachhaltig handlungsfähig bleiben.“ Beim Wirtschaftsministerium traf er damit auf offene Ohren.

Man teile die Feststellung, dass auch in Krisensituationen ein Mindestmaß an Managementgrundsätzen berücksichtigt werden müsse. Entsprechende Maßnahmen seien bereits eingeleitet worden, teilte es in einer Stellungnahme mit.

Planungschaos bei Landesaufnahmestelle

Ein großes Planungschaos konstatiert der Rechnungshof bei den Baumaßnahmen an der Landesaufnahmestelle in Lebach. Das hätte zu einem erheblicher Sanierungsstau an den Bestandgebäuden, langwierigen Vergabeverfahren und teuren Interimslösungen geführt, wobei „Mehrkosten in Millionenhöhe kritiklos hingenommen und sogar als wirtschaftlich bezeichnet“ worden seien. Eine angemessene und sichere Unterbringung der Flüchtlinge sei in Lebach seit langem nicht mehr zu gewährleisten.

Daneben bemängelte der Rechnungshof unter anderem die Vernachlässigung der landeseigenen Kunst-am-Bau-Bestände und mahnte transparentere Förder- und Vergaberichtlinien bei Wohlfahrts- und Kulturprojekten sowie beim Schulobstprogramm an. Außerdem müssten die Finanzämter personell deutlich besser ausgestattet werden, um Steuerkriminalität effizienter bekämpfen zu können.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 30.11.2023 berichtet.


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