Yeboah-Prozess: Skinhead-Chef soll Tatimpuls gegeben haben

Zu der überraschenden Festnahme des früheren Anführers der Saarlouiser Skinheads Peter St. sind weitere Details bekannt geworden. Gegen den 54-Jährigen hat der Bundesgerichtshof am 1. Juni Haftbefehl erlassen. Er steht im Verdacht der Beihilfe zum Mord an dem ghanaischen Flüchtling Samuel Yeboah, der 1991 bei einem Brandanschlag auf eine Saarlouiser Asylbewerberunterkunft ums Leben gekommen war.

Bundesanwaltschaft und Bundesgerichtshof gehen nach SR-Informationen davon aus, dass Peter St., der Anfang Juni verhaftet worden war, seinen engsten Vertrauten, den mutmaßlichen Haupttäter Peter S. zumindest "bestärkt" hat, am frühen Morgen des 19. August 1991 Feuer in der Asylbewerberunterkunft zu legen.

Kam "maßgeblicher Tatimpuls" von Peter St.?

Möglicherweise hätte es den tödlichen Brandanschlag ohne die Zustimmung von Peter St. gar nicht gegeben. Es sei nicht auszuschließen, dass Peter St. als unumstrittener Chef und Anführer der damaligen Neonaziszene gar den "maßgeblichen Tatimpuls" gesetzt habe. Aus dem Vorwurf der Beihilfe zum Mord gegen Peter St. könnte also durchaus noch eine Anstiftung werden, was im Falle einer Verurteilung ein höheres Strafmaß bedeuten könnte.

Neben der eindeutigen Führungsposition von Peter St., hinter dessen Rücken laut Zeugenaussagen im Koblenzer Mordprozess in der Szene nichts gelaufen war, ist das Treffen in der Kneipe Bayrischer Hof am Vorabend des Anschlags Dreh- und Angelpunkt der Vorwürfe. St. soll dabei die Ausschreitungen in Ostdeutschland unterstützt und gesagt haben, so etwas müsste auch mal hier, in Saarlouis, passieren.

Wobei die Bundesanwaltschaft - anders als noch in der Anklage gegen Peter S. - inzwischen von einem anderen "Vorbild" für die Tat ausgeht. Demnach sollen es nicht mehr die zeitgleich laufenden Übergriffe auf Vertragsarbeiterunterkünfte in Hoyerswerda gewesen sein, sondern Attacken auf Sinti und Roma im Leipziger Stadtteil Grünau am 31. August 1991.

MONITOR-Beitrag als Blaupause für Saarlouis

Dazu ist nunmehr ein Beitrag des ARD Magazins MONITOR bekannt geworden, der einen Tag vor dem Treffen im Bayrischen Hof am 17. September 1991 um 21.00 Uhr im Ersten ausgestrahlt worden war. Darin wurde unter anderem eine 19-Jährige interviewt. Sie kündigte weitere Brandanschläge an, bei denen dann auch mit Toten zu rechnen sei. Zudem wurden mehrere Bewohner der Plattenbausiedlung befragt, die die Anschläge teilweise begrüßten.

Der MONITOR-Beitrag hatte in der bisherigen Beweisaufnahme in Koblenz zwar (noch) keine Rolle gespielt, ist nun aber die mutmaßliche Blaupause für Saarlouis.

Szenemitglieder nach Brand zum Schweigen verdonnert

Dass Peter S. in seinem Geständnis erklärt hatte, dass Peter St. von dem Anschlag nichts gewusst habe, gegen Brandsätze gewesen sei und den Kampf "Mann-gegen-Mann" bevorzugt habe, hält die Bundesanwaltschaft offenbar nicht für glaubwürdig. Es würde im Übrigen auch zu den Machtstrukturen innerhalb der Szene passen, wonach Peter S. der "Lakai" und "Stiefellecker" seines Kameraden Peter St. gewesen ist und er ihn noch immer schützen will.

Wie der SR weiter erfahren hat, wurden bei der Hausdurchsuchung bei Peter St. zahlreiche Zeitungsartikel über den Anschlag sichergestellt. Eine ähnliche Sammlung war auch bei Peter S. gefunden worden. Belastend für St. könnte zudem sein, dass er kurz nach dem Brand gemeinsam mit S. die anderen Szenemitglieder zum Schweigen gegenüber der Polizei verdonnert haben soll.

Der Verteidiger von St., der ehemalige Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl, hatte nach Verkündung des Haftbefehls Anfang Juni erklärt, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandanten im Wesentlichen auf der Aussage eines Zeugen, Heiko S., beruhten, der an dem Treffen im Bayrischen Hof teilgenommen hatte und stark betrunken gewesen sei. Dieser habe sich 30 Jahre danach erstmals daran erinnert, dass St. an jenem Abend des 18. September 1991 die Übergriffe im Osten angeblich befürwortet habe.

Auch Ermittlungen gegen Heiko S.

Stahl hegt also Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Zeugen Heiko S., der Mitte der 1990er Jahre aus der Neonaziszene ausgestiegen war. Gegen Heiko S. wird nach dem "Geständnis" von Peter S. inzwischen auch ermittelt. Er soll laut Peter S. die treibende Kraft für den Anschlag gewesen sein und das Feuer im Treppenhaus gelegt haben. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen "mittäterschaftlicher Beteiligung" an dem Mord an Samuel Yeboah. Heiko S. aber ist trotz des schwerwiegenden Vorwurfs weiterhin auf freiem Fuß. Die Vorwürfe gegen ihn beruhen einzig und allein auf den Aussagen von Peter S. in seinem "Geständnis" vom 9. Mai 2023.

In dessen Nachgang waren die Telefone von Peter St. und Heiko S. erneut überwacht worden. Weitere Verdachtsmomente ergaben sich daraus nicht. Zumindest Peter St. war schon zu Beginn der Ermittlungen vor gut zwei Jahren davon ausgegangen, dass er abgehört wird.

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