Tour-Sender seit 1948: die lange SR-Tradition bei der „Großen Schleife“

Der Saarländische Rundfunk ist der „Tour-Sender“. Genauer gesagt: Der SR ist der „Federführer“ für die ARD-Berichterstattung von der „Tour de France“. Das war er, egal ob mit oder ohne Live-Übertragungen, von Anfang an. Zuerst nur im Radio, dann auch im Fernsehen. Diese lange Tradition begann bereits bei Radio Saarbrücken. Aber wann genau?

Von Axel Buchholz

Der Saarländische Rundfunk ist der „Tour-Sender“. Genauer gesagt: Der SR ist der „Federführer“ für die ARD-Berichterstattung von der „Tour de France“. Das war er, egal ob mit oder ohne Live-Übertragungen, von Anfang an. Zuerst nur im Radio, dann auch im Fernsehen. Diese lange Tradition begann bereits bei Radio Saarbrücken. Aber wann genau?

Die regelmäßige Übertragung der Tour de France gehört zu den Markenzeichen des Senders an der Saar. Durch neue Recherchen von SR-Dokumentar und Bibliothekar Roland Schmitt wissen wir nun: Radio Saarbrücken übertrug die Tour schon seit 1948. Das war die zweite Nachkriegstour, denn 1947 wurde die „grande boucle“ („große Schleife“) erstmals nach 1945 wieder gefahren. Seit 1939 hatte es keine Tour mehr gegeben.

Diese 18. Etappe der 35. Tour dürfte im Saarland ein großes Ereignis gewesen sein – und natürlich auch fürs Radio. Fernsehen gab es noch nicht. Am 22. Juli 1948 führte die „Große Schleife“ zwischen Straßburg nach Metz auch durchs Saarland: von der Grenze bei Saargemünd nach Saarbrücken und von dort weiter nach Saarlouis.  
Radio Saarbrücken brachte darüber in einer „Ringsendung“ sogar laufend Reportagen, wie die Saarbrücker Zeitung berichtete, die da schon wieder regelmäßig erschien. Übertragungsorte waren die Saargemünder Brücke, das Keglerheim Saarbrücken, Saarlouis und der Felsberg.
Lautsprecheranlagen wurden in Saarbrücken, Wadgassen, Völklingen und Saarlouis aufgestellt. Am Felsberg sorgte ein Lautsprecherwagen der Saarbrücker Zeitung für die Beschallung.
Den Saarländern empfahl die SZ ein „nachahmenswertes Beispiel aus Frankreich“: „Familien, die einen Rundfunkempfänger besitzen“ (was so kurz nach dem Krieg beileibe keine Selbstverständlichkeit war) sollten „denselben an die Fenster ihres Häuserblocks (stellen), damit allen Straßenpassanten und Zuschauern Gelegenheit geboten ist, die Ringsendung von Radio Saarbrücken zu verfolgen und sich so über den Verlauf des Rennens zu unterrichten.“ 

Dass die Tour 1948 überhaupt durch das Saarland führte, passte zur politischen Situation und der von Frankreich angestrebten "pénétration culturelle". Seit Dezember 1947 war das Saarland ein französisch dominierter teilautonomer Staat mit einer eigenen Verfassung. Da setzte ein halbes Jahr später die Präsenz des größten französischen Sportereignisses im Saarland ein deutliches Zeichen für die Zukunft der Saar. Und sicher nicht ungelegen berichteten Radio Saarbrücken und Saarbrücker Zeitung darüber sehr umfangreich. Der Sender hatte mit Gérard Losson einen französischen Generaldirektor und die Zeitung, unter deren "Protektorat" die Tour durchs Saarland führte, war in französischem Staatsbesitz. 

Zwei Jahre später kündigte die Saarländische Radio-Zeitung „Funkwoche“ für den 3. Juli 1950 eine zeitversetzte Reportage von der ersten Tour-Etappe von Paris nach Metz an. Gesendet wurde sie ab 20.05 Uhr nach der Politik-Sendung „Stimme des Tages“.  

 

Als Berichterstatter kündigte die „Funkwoche“ den damaligen Sportreporter-Star von Radio Saarbrücken Charly Scholz und seinen Kollegen Rolf Wernicke an. Der war freier Mitarbeiter beim Südwestfunk und ab 1952 dann Leiter „Aktuelles Wort“ beim Hessischen Rundfunk. Vor allem aber war Rolf Wernicke (1903 – 1953) eine Sportreporter-Legende noch aus den Zeiten des Reichsrundfunks vor dem Krieg. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin hatte er u. a. den 100m-Endlauf mit Jesse Owens reportiert, wurde Sportchef beim „Großdeutschen Rundfunk“ in Berlin und war Reporter auch bei vielen nationalsozialistischen Großveranstaltungen.

An der Tour 1950 nahm als Tontechniker Karl Fischer für Radio Saarbrücken teil. Ihm verdankt der SR eine Reihe interessanter, aber leider undatierter privater Bilder aus den ersten Tour-Jahren. Eines zeigt deutlich die Jahreszahl 50 an einem Auto im Begleittross, das vor dem SR-Reportagewagen herfuhr. 
Reportagen von 1950 und auch von 1951 haben sich bislang freilich weder beim SR noch beim SWR gefunden. Für 1951 ist aber belegt, dass Radio Saarbrücken seine Berichte von der Tour bereits jenseits der Grenze in der ehemaligen französischen Besatzungszone in Deutschland angeboten hatte. Zu vermuten ist freilich, dass dies auch schon zuvor geschah.
Den Beweis für 1951 liefert ein Dankschreiben aus Baden-Baden von der Abteilung „Zeitfunk-Sport“ des damaligen Südwestfunks (heute SWR), der die Reportagen gekürzt übernahm. Geschrieben hat es der Sportreporter (und spätere Tour-Reporter und SWF-Sportchef) Rudi Michel am 30. Juli 1951.
„Die Tour ist beendet – es lebe die Tour“, schreibt Michel voller Begeisterung im ersten Satz und gratuliert dann Sport-Reporter Charly Scholz sowie dem Zeitfunk- und Sportfunkleiter Wilhelm Diederich zu den „ausgezeichneten Reportagen“, die „wirklich große Klasse“ gewesen seien. Als „schade und wirklich bedauerlich“ empfand der SWF-Kollege nur, „dass entweder schlechte Leitungen oder eine schlechte technische Ausrüstung sich negativ auswirkte“.

SR-Fundstücke: Bericht von der 21. Etappe am 17. Juli der Tour 1952

Das älteste deutsche Tondokument von der Tour lagert in den Archiven des SR: eine Aufnahme von 1952. Es sind Reportagen von Radio Saarbrücken von der drittletzten und der vorletzten Tour-Etappe (Limoges – Puy de Dôme und Clermont-Ferrand – Vichy). In Puy de Dôme hatte der Italiener Fausto Coppi die Etappe gewonnen – der spätere Toursieger, der schon seit zwölf Tagen das Gelbe Trikot trug.

Einer der Reporter war Jupp Hoppen. Charly Scholz und Wilhelm Diederich gehörten wohl ebenfalls dem SR-Reporterteam an, sind auf den erhaltenen Bändern aber nicht zu identifizieren. Dass der SR auch über die Schlussetappe von Vichy nach Paris berichtete (von 20.00 bis 20.15 Uhr nach der Sendung „Stimme des Tages“), ist nur durch die erhaltene und inzwischen digitalisierte Programmfahne vom 19. Juli belegt.
Sportreporter Jupp Hoppen hatte jedenfalls 1951 noch für die saarländische Radio-Zeitung „Funkwoche“ gearbeitet. Zu Beginn der 50er wurde er dann Leiter des Sportfunks von Radio Saarbrücken. Zuvor war es Wilhelm Diederich gewesen, unter dessen Leitung noch Zeitfunk und Sport zusammengefasst waren. Er wurde dann Chefredakteur von Radio Saarbrücken.


Diederich nutzte die Gunst der (politischen) Stunde und machte Radio Saarbrücken zum „Tour-Sender“. Er begann auch die Kooperation bei den Übertragungen mit dem SWF. Sein Nachfolger Jupp Hoppen setzte dies fort und bezog auch das neue Medium Fernsehen ein.
Von Jupp Hoppen gefördert, begann ab 1957 (also schon beim SR) Werner Zimmer seine Karriere als Sportreporter. Die erste im SR-Archiv erhaltene Sendung zur Tour mit seiner Stimme stammt aus dem Jahr 1963. Sie wurde am Vorabend des Tourstarts unter dem Titel „Zum fünfzigstel mal „Tour den France“ in der ARD ausgestrahlt. Jupp Hoppen war der Autor und Werner Zimmer der Sprecher (Kamera: Horst „Ohm“ Wegener und Richard Theobald, Schnitt: Marianne Kuhn). Es ist die älteste deutsche TV-Reportage von der Tour.

SR-Fundstücke: Luxemburger Tourfahrer

Als Tour-Reporter war Zimmer seit 1964 dabei. Im Buch „100 Jahre Tour de France“ (Leitung der deutschen Buch-Redaktion: Rolf Dieter Ganz) schrieb er: „In Liseux machte ich meine erste Hörfunk-Reportage vor dem Start der 51. „Großen Schleife“. Im Archiv findet sie sich nicht mehr. Die ersten erhaltenen Einsätze von ihm als TV-Tour-Reporter stammen aus dem Jahr 1969.

SR-Fundstücke: Werner Zimmer zur Tour de France

Von 1964 bis 2005 war Zimmer dann durchgehend bei der Tour im Einsatz. Der TV-Sportreporter und Tourspezialist Herbert Watterott vom WDR sah Zimmer schon 1965 als einen „berühmten ARD-Kollegen“, wie er in seinem Buch „Tour de France Live!“ schrieb. Als SR-Sportchef (Nachfolger von Jupp Hoppen seit 1970) sowie ausgezeichneter Sport-Reporter und bundesweit populärer Fernseh-Sportmoderator baute Zimmer über all die Jahre den guten Ruf des SR als „Tour-Sender“ der ARD erfolgreich aus.
Mit seiner beruflichen Karriere beim SR als Fernsehdirektor und stellvertretender Intendant übernahm Werner Zimmer auch bei der Tour-Berichterstattung viel Verantwortung. Von 1998 bis 2005 war er ARD-Team-Chef, von 2000 bis 2004 auch Leiter des gemeinsamen Teams von ARD und ZDF.

„Den Ruf als Tour-Sender verdankt der SR Jupp Hoppen“, so Zimmers Meinung. Werner Zimmers Nachfolger Roman Bonnaire (SR-Sportchef von 2001 bis 2010) sieht das etwas anders: „Die ersten beiden Sportfunk-Leiter Diederich und Hoppen haben für eine gute Ausgangslage gesorgt. Werner aber hat die Tour-Berichterstattung für den SR zu einem Erfolgsmodell gemacht.“  

(Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Michael Fürsattel, Rolf Ganz, Sven Müller, Eva Röder, Roland Schmitt)

WOLLEN SIE SR.DE WIRKLICH VERLASSEN?

Viele Soziale Netzwerke wie Facebook oder Youtube erfüllen nicht die hohen Datenschutz-Standards des SR. Deshalb sollten Sie bei diesen Anbietern besonders auf Ihre persönlichen Daten achten.

Unser Tipp: Nur das posten und angeben, was Sie theoretisch jedem Internetnutzer zeigen würden. Außerdem sollten Sie die voreingestellten Datenschutzeinstellungen der jeweiligen Anbieter überprüfen.

WOLLEN SIE SR.DE WIRKLICH VERLASSEN?

Viele Soziale Netzwerke wie Facebook oder Youtube erfüllen nicht die hohen Datenschutz-Standards des SR. Deshalb sollten Sie bei diesen Anbietern besonders auf Ihre persönlichen Daten achten.

Unser Tipp: Nur das posten und angeben, was Sie theoretisch jedem Internetnutzer zeigen würden. Außerdem sollten Sie die voreingestellten Datenschutzeinstellungen der jeweiligen Anbieter überprüfen.