Flüchtlinge warten in einem Park in Belgrad auf die Weiterreise in die EU. (Foto: picture alliance/dpa)

FeatureZeit: "Psychotrauma Flucht – Die Zeit heilt nicht alle Wunden"

  26.10.2016 | 10:19 Uhr

Über eine Million Flüchtlinge kamen vergangenes Jahr nach Deutschland, darunter zahlreiche minderjährige Flüchtlinge. Wie viele von ihnen schwer traumatisiert sind wie Maseeh oder Mohammed, weiß man bislang noch nicht. "Psychotrauma Flucht – Die Zeit heilt nicht alle Wunden", beleuchtet das Thema Flucht und die Folgen, am Dienstag, den 1. November, um 11.04 Uhr in der SR 2 FeatureZeit.

Wie Maseehs Vater von den Taliban getötet wurde, will er niemandem sagen. Auf jeden Fall raubt dem 17-Jährigen die Erinnerung an seine Familie den Schlaf, lässt ihn in Panik ausbrechen – und lenkt den ehrgeizigen Jungen von seinem derzeit wichtigsten Ziel ab: den Hauptschulabschluss in Deutschland zu schaffen.

Auf seiner zweieinhalb Jahre dauernden Flucht ging Mohammed aus Kabul viele Tausend Kilometer zu Fuß, fuhr mit Bussen und Lastwagen. Mehrere Monate verbrachte der Jugendliche in einem bulgarischen und einem griechischen Gefängnis – wurde von Polizisten geschlagen und misshandelt. Als er auf einem schrottreifen Schiff von Griechenland nach Italien überfuhr, erlitt die Fähre Schiffbruch. Er war einer der acht Überlebenden von 76 Passagieren. In Belgien pumpten die Ärzte den verstörten Jungen mit Medikamenten voll.

Bilder von anderen Flüchtenden wecken verdrängte Erinnerungen

Die Flucht hinterlässt Traumata. Neu ist diese Erkenntnis indes nicht. Viele deutsche Familien haben selbst Fluchtgeschichten erlebt. Die einstigen Vertriebenen haben ihre Erinnerungen jahrelang verdrängt – und im Alltag funktioniert. Die heutigen Bilder von Menschen auf der Flucht erwecken die Erinnerungen jedoch zu neuem Leben. „Ich kann jeden einzelnen Schritt dieser Menschen nachvollziehen“, sagt Richard Sucker, der mit 12 Jahren als „minderjähriger Flüchtling“ aus Breslau wegging. Aber auch: „Ich bin neidisch auf die Flüchtlinge von heute, denn uns hat damals niemand geholfen.“ Ulrike Gräf aus Feldafing sieht in ihren Träumen noch immer die Brandleichen aus dem bombardierten Dresden: „Ich möchte helfen, weil die Flüchtlinge heute das gleiche durchmachen wie wir damals“.

Die Hälfte aller Flüchtlinge gilt als "seelisch schwer belastet"

Über eine Million Flüchtlinge kamen vergangenes Jahr nach Deutschland, darunter zahlreiche minderjährige Flüchtlinge. Wie viele von ihnen schwer traumatisiert sind wie Maseeh oder Mohammed, weiß man bislang noch nicht. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass jeder zweite Flüchtling im Heimatland und auf der Flucht so Schlimmes erlebt hat, dass er als seelisch schwer belastet gilt. Wie aber wird es gelingen, hunderttausende traumatisierte Menschen in die deutsche Gesellschaft zu integrieren? Welche Gemeinsamkeiten gibt es mit den Flüchtlingen unserer eigenen Geschichte? Kann man heute aus den Erfahrungen von früher lernen? Und wie beeinflussen die eigenen Fluchterfahrungen der Deutschen ihre Einstellung zu den Flüchtlingen von heute?

An Allerheiligen, Dienstag, 1. November, 11.04 Uhr, in der "FeatureZeit". Ein Beitrag von unsere Kollegin Gabriele Knetsch vom Bayrischen Rundfunk.

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