Johannes Hillje: "Mehr Emotionen wagen"
Emotionen werden in der Politik häufig verwendet, um Massen zu mobilisieren. Gerade die politischen Ränder machen sich diese Macht zu Eigen. Der Kommunikationswissenschaftler Johannes Hillje hat im Gespräch mit Kai Schmieding erklärt, wie man gegen solche Populismuspolitiker ankommt.
Gemischte Gefühle als Machtinstrument
Rache, Angst vorm Weltuntergang, Gefühle der eigentlichen vermeintlichen Überlegenheit, Verachtung und Verächtlichmachung des politischen Gegners der eigentlich ein Feind ist - Beispielsweise US-Präsident Trump beherrscht perfekt die Klaviatur der Emotionen, weil er weiß, solche Gefühlsbotschaften sind im Zweifel wichtiger als jeder politische Inhalt.
Gerade in einer Medienwelt, die starke Affekte, Wallungen, polarisierende Äußerungen und Zuspitzung sofort belohnt. Wie soll man gegen solche Populismus-Politiker überhaupt ankommen, wenn man an sich selbst den Anspruch hat, seriös, rational und faktentreu zu argumentieren?
"Populismus darf man nicht den Rechten überlassen"
Der Kommunikationswissenschaftler und politische Berater Johannes Hillje meint in seinem neuen Buch "Mehr Emotionen wagen", Emotionen sollte man nicht nur dem Populismus überlassen. An den Rändern beherrscht man diesen und die Emotionalisierung jedoch bereits recht gut. Sollten die Parteien aus der Mitte auch "mehr Trump" wagen?
Nein, wir sollten nicht mehr Trump wagen. Aber ich glaube, wir müssen uns erst mal klarmachen, dass Emotionen nicht nur starke Affekte sind, wie wir sie eben beim Populismus sehen. Emotionen sind eigentlich immer in der Politik vorhanden, weil sie etwas ganz menschliches sind. Und sie sind auch nicht der Gegensatz zur Rationalität.
Gute und schlechte Emotionalisierung
Die sogenannte demokratische Emotionalisierung ist negativer Art. Was die Populisten und die Extremisten machen, ist das, was in der demokratischen Mitte nicht übernommen werden sollte, zum Beispiel eine Form der Entmenschlichung, was immer wieder in der Migrationsdebatte erlebt wird. Menschen werden zu Parasiten, zu Tieren, zu Monstern.
Selbst Immanuel Kant hat schon in seinen späten Schriften geschrieben, dass Emotionen eine Triebfeder der praktischen Vernunft sein können. Und das ist eigentlich auch schon ziemlich nah dran, was uns die heutige Neurowissenschaft lehrt, nämlich die menschliche Entscheidung als Zusammenspiel von Rationalität und Emotionalität zu sehen.
Steigt die Verdrossenheit weiter?
Wir sind das Land, das Scholz und Merkel als Kanzler hatte. Wir haben nicht gerade ein Faible für den emotionalen, populistischen Auftritt. Wenn jetzt in der Politik noch emotionaler populistisch argumentiert würde, könnten die Menschen das als Manipulation empfinden und am Ende das Vertrauen in die Seriosität der Agierenden verlieren.
Es geht darum, ein konkretes Zielbild zu definieren, wohin man ein Land führen will und eine emotionale Anknüpfung an die Lebenswelt der Menschen aufzubauen. Sobald das alles mit eigenen Werten zu tun hat und die Politik Werte von sozialer Gerechtigkeit, Sicherheit oder auch von Nachhaltigkeit oder Freiheit umsetzt, kann man Menschen für so etwas auch positiv begeistern.
Johannes Hillje
"Mehr Emotionen wagen"
Piper
256 Seiten, 22 Euro
ISBN: 978-3-492-07382-0
Ein Thema der Sendung "Der Morgen" am 16. April 2025 auf SR kultur