Comic-Cover von Luz Vernons Subutex (Foto: Futuropolis)

"Vernon hat meine Einsamkeit geheilt"

Ex-Charlie-Hebdo-Zeichner Luz und der abgedrehte Held von Despentes

Sabine Wachs   06.12.2024 | 15:05 Uhr

Luz – ein Name, den in Frankreich fast jeder kennt. Ehemals einer der wichtigsten Zeichner der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo. Er überlebte den Anschlag am 7. Januar 2015 durch einen Zufall, zeichnete dann die berühmte Titel-Seite „Je suis Charlie“. Lange hat sich Luz nur mit seinem Trauma befasst. Dann bat ihn Bestsellerautorin Virginie Despentes,ihre Romantrilogie „Das Leben des Vernon Subutex“ in Comic-Form zu bringen.

Klartext: Bei Despentes wie bei Luz (Foto: Albin Michel / Reprodukt)
Klartext: Bei Despentes wie bei Luz

Vier Jahre Arbeit und jeden Tag eine Begegnung, so beschreibt Luz seine Arbeit an Vernon Subutex. Als Virginie Despentes ihn darum bat, ihre Romantrilogie als Comic zu adaptieren, war er geehrt und gespannt gleichermaßen. Denn zwischen ihm und den Romanen gibt es eine besondere Verbindung. Band eins von „Das Leben des Vernon Subutex“ erschien in Frankreich am 7. Januar 2015, an dem Tag, an dem Luz Leben ins Wanken geriet, an dem Tag, an dem islamistische Attentäter die Redaktion der Satire-Zeitung Charlie Hebdo angriffen und einen großen Teil von Luz Freunden und Kollegen ermordeten.

Vernon mag Vinyl (Foto: Albin Michel / Reprodukt)
Vernon mag Vinyl

Er fiel in ein Loch, zog sich zurück – über Jahre. Und dann kam Virginie Despentes. Ihre Roman-Trilogie „Das Leben des Vernon Subutex“ ging in Frankreich durch die Decke. Despentes, heute 55 Jahre alt, ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Ikone des französischen Feminismus ist dafür bekannt, sich provokant und kompromisslos mit Themen wie Geschlechterrollen, Sexualität, Gewalt und gesellschaftlichen Normen auseinander zu setzen. Ihr Schreibstil ist rough, ungeschönt, manche Kritiker bezeichnen ihn als vulgär. Ähnliches trifft auf den Ex-Charlie Hebdo Zeichner zu. Es war also auf vielen Ebenen ein Match zwischen Despentes und Luz – stilistisch, thematisch und vor allem auch menschlich, erzählt Luz. Mit der Arbeit an Vernon Subutex. Luz‘ Lebensmut kehrte zurück.

"Ich war auf einmal weniger einsam." Luz
Luz - auch nach dem Attentat geht das Leben weiter (Foto: Albin Michel / Reprodukt)
Luz - auch nach dem Attentat geht das Leben weiter

Die Arbeit mit einer Autorin habe ihm ein neues Universum eröffnet. Die Figuren von Despentes wurden zu seinen Büro-Kollegen, allen voran Vernon Subutex. Der abgehalfterte Plattenladenbesitzer wurde zum Freund, zum Alter Ego. Denn wie Luz auch hat Vernon alles verloren: Sein Plattenladen ist pleite, sein Hab und Gut hat er verscheuert, um die Miete zu zahlen. Vernon landet obdachlos auf der Straße und ist allein. Im Gegensatz zu seinen Freunden aber, akzeptiert er seine Situation – fatalistisch und trotzdem: Die Idee, dass es schon weitergehen wird, lebt in Vernon Subutex. Und sie lebt auch wieder in Luz.Durch die Arbeit an Vernon Subutex habe er zum ersten Mal seit den Anschlägen von 2015 wieder Musik gehört und zwar die, die auch Vernon liebt: The Clash, Dolly Parton, oder David Bowie. Luz, der lange Zeit auch Konzerte gezeichnet hat, gießt die Musik in Bilder. Die Energie, transportiert er über kräftige Farben, über Graffiti-artig gestaltete Doppelseiten - schwarzer Grund vor Farbexplosion – das springt den Leser förmlich an. Sowohl die Romane, als auch Luz „Übersetzung“ seien eine Art Tanz.

Kiffen und Klagen - Subtext bei Subutex (Foto: Albin Michel / Reprodukt)
Kiffen und Klagen - Subtext bei Subutex

Und der folgt in Vernon Subutex 2 einem eigenen Beat. Luz hat einen Remix der Despentes-Trilogie geschaffen, sich das Werk auch inhaltlich zu Eigen gemacht. Während Vernon Subutex im Roman am Ende 2000 Jahre in die Zukunft versetzt wird, als eine Art Christusfigur erscheint, wählt der Zeichner ein anderes Ende. Vernon sei für ihn nämlich kein Guru, sondern ein Typ, der zwar alles verloren habe und trotzdem eine Musik in sich trage, die die Menschen fasziniert. Der Comic, mit seinen teils überladenen und grell bunten Seiten, erinnert an Luz Reportagen für Charlie Hebdo. Mehr noch als der erste Band, ist Vernon Subutex 2 eine mentale Reportage von mehr als 300 Seiten, ein komplexes Musikstück, dessen Groove sich die Leser nicht entziehen können.

Vernon Subutex 1 + 2 (2 Bände im Schuber)
Luz
Reprodukt
ISBN 978-3-95640-444-3
99 €

Im Original bei Albin Michel in Frankreich

Dancing in the Dark (Foto: Albin Michel / Reprodukt)
Dancing in the Dark

Die bisherigen Artikel von sr.de/bd

Sie suchen nach bestimmten Comics - oder wollen einfach nur stöbern? Die bisherigen Artikel unserer Seite zu frankophonen Comics in Deutschland finden Sie hier.

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja