Alejandro Zambra: „Nachrichten an meinen Sohn"
Wenn sich Glück und Hexenschuss reimen
Mit seinem Debütroman „Bonsai“ gelang dem chilenischen Autor Alejandro Zambra ein internationaler Erfolg. Nun hat Zambra ein Buch über Vaterschaft geschrieben. „Nachrichten an meinen Sohn“ heißt es, das rechtzeitig zum Vatertag an diesem Donnerstag (29.05) erschienen ist. Tobias Wenzel hat es gelesen und den Autor aus der Ferne unter nicht ganz normalen Bedingungen interviewt:
Ein Filmteam dreht in der Wohnung von Alejandro Zambra in Mexiko-Stadt. Schon seit Tagen wird der chilenische Schriftsteller für einen Dokumentarfilm mit der Kamera begleitet. Auch während dieses Radiointerviews per Schaltung über „Nachrichten an meinen Sohn“, Zambras neues Buch. Dazu hat ihn seine eigene Vaterschaft inspiriert:
Das hat sich ganz natürlich ergeben. Die Frage ist vielmehr, wie ich nicht über diese Erfahrung hätte schreiben können. Etwa darüber, mit meinem neugeborenen Sohn im Arm im Schaukelstuhl zu sitzen. Manchmal habe ich natürlich kaum geschlafen und hatte starke Rückenschmerzen. Aber, wie ich im Buch schreibe: Wer ein Kind aufzieht, weiß: Das Wort Glück reimt sich auf das Wort Hexenschuss.
„Nachrichten an meinen Sohn“ ist kein Roman, wie der deutsche Verlag behauptet, sondern eine Mischform aus unterschiedlichen Textgattungen, in denen der Autor meist seinen Sohn Silvestre direkt anspricht. Der Band versammelt Gedichte, fiktionale und vor allem autobiographische Erzählungen und überarbeitete Tagebucheinträge aus dem ersten Lebensjahr des Sohnes. Einfühlsame Impressionen, etwa wie Zambra und seine Frau die ersten Worte ihres Kindes feiern, wechseln sich auch mit negativen Erlebnissen ab:
Auf dem Rückweg von der Bäckerei, zu der wir jeden Morgen gemeinsam gehen :≫Hat der Junge keine Mutter ?≪, fragt mich ein Mann. ≫Vollidiot≪, antworte ich. ≫Vollidiot.≪
In einer Buchhandlung in Mexiko-Stadt wird dem Vater samt Sohn der Zutritt verweigert, weil er eine mit Wasser gefüllte Babyflasche dabei hat und Flüssigkeiten in der Buchhandlung verboten sind:
Das ist eine Mischung aus Dummheit und Brutalität einer Gesellschaft, die weder die Vaterschaft noch die Mutterschaft im Hinterkopf hat. Das heißt, man kann mit keinem Kleinkind diese Buchhandlung betreten, weil sonst die Gefahr besteht, dass das Kind dehydriert.
Zambra gelingt es hier und an anderer Stelle dieses von Susanne Lange fantastisch übersetzten Buchs trotzdem, das Ärgerliche in tragikomischem Licht erscheinen zu lassen. In den autobiographischen Erzählungen spiegelt sich anfangs das schwierige Verhältnis Zambras und seines eigenen Vaters wider: etwa wie Zambra nach einem Streit mit dem Vater aus dem Elternhaus auszieht und einen Abschiedsbrief an den Vater hinterlässt. Die letzten Erzählungen dokumentieren aber eine Annäherung der beiden:
Ich konnte nicht vorhersehen, was für ein Großvater mein Vater sein würde. Schnell ist dann zwischen meinem Vater und meinem Sohn trotz der Entfernung, per Telefon, eine harmonische Beziehung entstanden. Das hat mich richtig überrascht. Es mag ein Gemeinplatz sein. Aber wir verstehen unsere Väter besser, wenn wir selbst Väter werden. Mein Buch feiert gewissermaßen jene Jahre, in denen man schon selbst Vater ist und noch einen Vater hat.
„Nachrichten an meinen Sohn“ ist ein anrührendes und kluges, geradezu weises Buch über Vaterschaft. Nicht nur etwas für Väter, sondern für alle, die richtig gute, fein ausgearbeitete Literatur schätzen.
Unser Interview geht zu Ende. Aber in seiner Wohnung in Mexiko wird Alejandro Zambra weiter von den Filmemachern gefilmt. Bald holt Zambra seinen Sohn von der Schule ab, ein wichtiges Ritual für die beiden, wie aus dem Buch hervorgeht. Fragt sich, ob auch da die Filmleute dabei sein werden.
Alejandro Zambra
„Nachrichten an meinen Sohn“
aus dem Spanischen übersetzt von Susanne Lange
Suhrkamp Verlag
239 Seiten, 25 Euro
ISBN: 978-3518432372
Ein Thema in "Der Nachmittag" am 28.05.2025 auf SR kultur.