Kommentar: "Ein Stopp für Cattenom - höchst unwahrscheinlich"

"Ein Stopp für Cattenom - höchst unwahrscheinlich"

Lisa Huth   16.05.2024 | 16:00 Uhr

Frankreich lässt seinen Nuklearpark durchchecken - das heißt, die Reaktoren der Baureihe mit einer Leistung von 1300 Megawatt. Bis 2030 sollen alle 20 Blöcke auf Herz und Nieren überprüft und ihre Sicherheitssysteme verbessert werden. Derzeit ist die Rede von „Revision“. Genehmigt ist noch nichts, auch nicht für Cattenom. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass Reaktoren durchfallen? Dazu ein Kommentar von Lisa Huth.

Frankreich braucht seine Atomkraftwerke und unternimmt derzeit alle Anstrengungen, um sie aufrechtzuerhalten. Da nützt auch keine höchst unangenehme Frage beim Bürgerdialog diese Woche in Cattenom: Das Herz eines Meilers, der Reaktordruckbehälter könne ja wohl nicht ausgetauscht werden.

Der frühere Bigboss der AKWs, Marcel Boiteux, hatte Ende der 70er-Jahre gesagt, so ein AKW, und damit auch das Herz, sei für rund 30 Jahre ausgelegt. Jetzt geht es um eine Laufzeit von bis zu 50 Jahren. Das, so eine Bürgerin in Cattenom, erhöhe das Risiko von Rissen. Direkte Ansage der EDF: Sobald Risse aufträten, würde eine Anlage gestoppt.

Was aber, wenn die Risse kurz nach einer Überprüfung auftreten, bei der noch alles in Ordnung war? Auch das wird in die neue Planung für die Weiterführung der Reaktoren mit einbezogen: Für den Fall einer eventuellen Kernschmelze sehen die Pläne der EDF eine weitere Stabilisierung der Betonverschalung unterhalb des Reaktors vor. Kernschmelzen gab es in Tschernobyl und Fukushima.

Frankreich sieht sich mit dem Atomstrom auf dem richtigen Weg

Frankreich als souveränes Land sieht sich mit der Nuklearpolitik auf dem richtigen Weg: Vor allem Dank des Atomstroms sei der CO2-Ausstoß um nahezu 95 Prozent verringert worden. Nach einem Importzwang 2022, aus vielerlei Gründen, ist das Land 2023 wieder zur Exportnation von Strom geworden. Mit dem Atomstrom ist Frankreich auch unabhängig. Unabhängiger jedenfalls als Deutschland mit seinen Gas- und Kohleimportproblemen.

Nuklearpark verschlingt Milliarden

Weniger gern erwähnt wird allerdings, dass der Nuklearpark Milliarden Euro verschlungen hat, viele Milliarden zum Erhalt kostet und der Abbau weitere Unsummen verschlingen würde. Geld, das dann für andere Investitionen in Wind-, Wasser-, oder Solarenergie fehlen würde. Und es gäbe weniger Strom.

Dieser wird in Frankreich zwar viel günstiger als in Deutschland an die Haushalte geliefert, ist aber tatsächlich um ein Vielfaches teurer, weil enorm subventioniert. Was einer der Gründe dafür ist, warum in Frankreich in Sachen Atompolitik sozialer Friede herrscht.

Uranimport aus Russland

Weniger gern erwähnt wird auch, was die Enthüllungsplattform Médiapart kürzlich offengelegt hat: dass Frankreich für seine Reaktoren enorme Mengen an Uran von Russland importiert, und dass da eben auch eine gewisse Abhängigkeit besteht. Ja, nein, das sei nur statistisch so, heißt es recht lahm von Seiten der Atomindustrie.

Ein Stopp für Cattenom - höchst unwahrscheinlich

Natürlich kann die unabhängige Atomaufsichtsbehörde am Ende der Überprüfung eines Standorts die Weiterführung eines Reaktors untersagen. Bei all den Zwängen, Abhängigkeiten und vor allem bei den sehr konkreten Weiterführungsplänen, die es bereits gibt, ist das höchst unwahrscheinlich. Einen Stopp wird es vielleicht für Reaktoren der älteren Bauart geben, höchstwahrscheinlich aber nicht für die 1300er Reihe. Also auch nicht in Cattenom.


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Ein Thema in der "Region am Nachmittag" am 16.05.2024 auf SR 3 Saarlandwelle

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