Kommentar: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz trennt sich von Vorständin Jahn

"Analyse der Geschehnisse dringend erforderlich"

Ein Kommentar von Barbara Renno   11.03.2024 | 15:20 Uhr

Lange lag es in der Luft und sorgte für Diskussionen in der saarländischen Kulturszene. Dann kam die Meldung: Kunstvorständin Andrea Jahn und die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz beabsichtigen eine vorzeitige Vertragsbeendigung - zwei Tage nach den SR-Veröffentlichungen über einen social-media-Austausch zwischen Andrea Jahn und der Künstlerin Candice Breitz. Dazu der Kommentar von SR 2-Kulturredakteurin Barbara Renno.


Happy End, Ende gut alles gut? Wohl kaum - eher eine Dreh- und Verschnaufpause für alle handelnden Akteurinnen und Akteure am Set. Der Druck auf Kuratorium und Kuratoriumsvorsitzende – Kulturministerin Streichert-Clivot – war nach der Veröffentlichung der Chatprotokolle zwischen Stiftungsvorständin Andrea Jahn und Künstlerin Candice Breitz Ende letzter Woche groß geworden. Unmittelbar nach der Veröffentlichung hatte zudem der Kulturausschuss des Landtages für heute eine außerplanmäßige Sitzung anberaumt. Einziger Tagesordnungspunkt: die Berichte der beiden Hauptdarstellerinnen - der Ministerin und der Stiftungsvorständin. Die turnusmäßige Sitzung des Ausschusses wäre erst nach Ostern gewesen. Nur so erklärt es sich, dass am gestrigen Sonntag erst das vorläufige Ende dieser Geschichte voller Missverständnisse verkündet werden konnte.

Man hat das Gefühl beim Schreiben eines Drehbuchs in Echtzeit dabei zu sein

Noch ist der Vertrag nicht unterschrieben, mutmaßlich laufen noch Gagenverhandlungen. Verträge können immer auch noch in letzter Minute platzen – im Filmbiz wie im wahren Leben. Tatsächlich hat man mittlerweile fast das Gefühl beim Schreiben eines Drehbuchs in Echtzeit dabei zu sein: die vielen Wendungen, Cliffhanger, wechselnden Mitspielerinnen und Mitspieler, die Rollen- und Perspektivwechsel, die Zeitsprünge, die schnellen Schnitte, langsamen Kamerafahrten, die dramatischen Wendungen mit mehr oder weniger spritzigen Dialogen. Der in Saarbrücken als Max Oppenheimer geborene jüdische Regisseur Max Ophüls hätte vermutlich eine Art leichtfüßig und hintersinnig gefilmten Reigen aus dem Stoff inszeniert.

Eine inhaltliche Neuausrichtung muss angestrebt werden

Aber das Saarland ist keine Traumfabrik, Filmmogule sind rar und deshalb jetzt erstmal harter Schnitt und Schwarzblende. Und sich unbedingt Zeit nehmen für die Fortsetzung der Story, die dringend einer dramaturgischen Neuaufstellung bedarf und eine inhaltliche Neuausrichtung anstreben muss: Was bedeutet den Saarländern und Saarländerinnen Kultur und was verstehen sie darunter? Wo finden und wo suchen sie sie? Was ist Kulturpolitik auf der Höhe der Zeit für dieses Land? Welche Rolle spielen wie viele Akteurinnen und Akteure mit welchen Qualifikationen und beeinflussen das Geschehen? Wer setzt wann bei wem mit welchen Mitteln seine Partikularinteressen durch? Und wie viel Einfluss verträgt ein Kulturgeschehen, das möglichst viele mitnimmt und teilhaben lässt – selbstbestbestimmt nach Möglichkeiten und Bedarf?

Analyse der Geschehnisse dringend erforderlich

Was jetzt auf keinen Fall passieren darf, ist die überstürzte Fortsetzung. Das betrifft die Neubesetzung des ab Mai vakanten Vorstandspostens ebenso wie die dringend erforderliche Analyse der Geschehnisse. Dabei darf es keine Denkverbote geben – neue Spieler und Spielerinnen müssen eingeladen werden, gemischte, diverse Teams sich finden. Frische und auch unkonventionelle Ideen, Zugänge und Formate müssen eine Chance bekommen – bei größtmöglicher Unabhängigkeit, Indiefilmmäßig sozusagen. Ebenso geht es um Kommunikation auf Augenhöhe. Das nach einem der berühmtesten Saarländer benannte Nachwuchs-Film-Festival ist auch deshalb so beliebt bei den Saarländerinnen und Saarländern, weil direkter Austausch zwischen Machern und Publikum in einem dafür geschaffenen Raum auf Zeit garantiert ist und weil es viel Platz für Experimente und Entdeckungen gibt. Vom Namensgeber des Festivals – Max Ophüls stammt der Satz: „Es gibt drei Dinge, die man anfängt, ohne zu wissen, wie sie enden: eine Revolution, eine Karriere und eine Liebe.“ Das mit der Revolution wäre schon mal ein guter neuer Anfang. 


Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 11.03.2024 auf SR 2 KulturRadio.


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