Der Fall Candice Breitz - Ein Kommentar

Der Fall der jüdischen Künstlerin Candice Breitz

Ein Kommentar von Sigrid Fischer  

Der Fall der jüdischen Künstlerin Candice Breitz schlägt deutschlandweit hohe Wellen. Das Saarlandmuseum hatte die geplante Ausstellung aufgrund Breitz' kontroverser Haltung gegenüber Israel abgesagt. Was sagt das über unsere Debattenkultur? Sigrid Fischer mit einem Kommentar.

Berlin, Friedrichshafen, Osnabrück, außerdem Athen, Neapel, Dublin, San Francisco – dort überall werden zur Zeit bzw. wurden bis in den November hinein Arbeiten von Candice Breitz gezeigt. Saarbrücken hat eine für das Frühjahr geplante Ausstellung abgesagt – "in Anbetracht der medialen Berichterstattung über die Künstlerin" – heißt es zur Begründung.

Keine Überprüfung von Breitz' Positionen

Ausschlaggebend für die Absage war also nicht die eigene Überprüfung ihrer Positionen. Oder gar ein persönliches Gespräch. Sondern, was Medien über Candice Breitz' angeblich "kontroverse Äußerungen im Kontext des Angriffskrieges der Hamas auf den Staat Israel" schreiben. Und was war da so kontrovers?

Candice Breitz schreibe auf Instagram "Es ist möglich, die Hamas uneingeschränkt zu verurteilen (wie ich es tue) und gleichzeitig den breiteren palästinensischen Kampf für Freiheit von Unterdrückung, Diskriminierung und Besatzung zu unterstützen". Mit dieser Position steht sie nicht alleine.

"Breitz' Sichtweise muss erlaubt sein"

Die aktuelle Politik der rechten israelischen Regierung kritisieren auch viele Jüdinnen und Juden, die in Israel leben. Und der Nahostkonflikt wäre nicht seit jeher so kompliziert, wenn er keine differenzierte Betrachtung erforderte. Breitz‘ Sichtweise muss erlaubt sein – auch in Deutschland, das zurecht eine besondere Rolle gegenüber Israel einnimmt.

Vorwurf des Antisemitismus

Für die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz aber hat sich die Künstlerin nicht klar gegen den Terror der Hamas positioniert. Deshalb wolle man ihr kein Podium bieten. Man bezichtigt also eine jüdische Künstlerin des Antisemitismus. Sollte vielleicht jede und jeder künftig in Saarlandmuseen Ausstellende eine entsprechende Erklärung unterschreiben?

Cancel Culture ist keine Antwort

In einem Video habe Candice Breitz von "jüdischen Privilegien" und von "Apartheid" gesprochen, kritisiert die taz. Auch diese Thesen sollten diskutiert statt verboten werden. Ja, es hat schockiert, dass vom deutschen Kulturbetrieb so wenig zur Verurteilung des Hamasterrors zu hören war. Aber Cancel Culture kann nicht die Antwort sein.

Weitere fragwürdige Entscheidungen

Was hat Candice Breitz' Videoinstallation zur Sexarbeit in Johannesburg, die schon weltweit ausgestellt wurde, mit der aktuellen Antisemitismusdebatte zu tun? Scheinbar folgt Saarbrücken aus Angst, den "common sense" zu verlassen, etwas unreflektiert anderen – ebenso fragwürdigen – Entscheidungen.

Da wurde die Preisverleihung an eine palästinensische Autorin ausgesetzt, ein preisgekrönter Spielfilm palästinensischer Macher aus dem ARD-Programm genommen, eine Fotoausstellung über muslimisches Leben in Berlin ebenso abgesagt wie eine Tagung, die im Nachgang zur Documenta fifteen die Rolle von Kunst und Kunstfreiheit bei wachsendem Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie beleuchten sollte.

Was ist noch zulässig?

Und es stellt sich die Frage: Was ist überhaupt noch zulässig? Nur noch engstirniges Ja oder nein, schwarz oder weiß, Null oder eins? Schon der Documenta-Skandal hat gezeigt, wie schwer es hierzulande fällt, vielstimmige Diskussionen zu führen, wenn es um Israel geht. Bis hin zur Implosion der neuen Findungskommission vor einigen Wochen – auch wegen Antisemitismusvorwürfen - gelingt das nicht.

Akzeptanz für andere Sichtweisen

Deutschland mag moralisch auf der richtigen Seite stehen, muss aber trotzdem akzeptieren, dass es andere Sichtweisen und Befindlichkeiten in der Welt gibt. Auch das ist Teil unserer historischen Verantwortung. Wenn WIR dazu schon nicht mehr bereit und in der Lage sind, was wollen wir dann von anderen erwarten? Die Freiheit einer Debattenkultur in diverse Denkrichtungen ist ein unerlässliches Demokratiegebot und wichtiger denn je in Zeiten polarisierender Social Media Hetze.

Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 30.11.2023 auf SR 2 KulturRadio.

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