Die AfD zu Gast bei der Eröffnung der Berlinale – Kommentar von Oda Tischewski

Die AfD zu Gast bei der Eröffnung der Berlinale

Oda Tischewski   06.02.2024 | 08:02 Uhr

In gut einer Woche beginnt die 74. Berlinale – und schon im Vorfeld fliegen die Fetzen. Auf der Gästeliste der Eröffnungsfeier stehen zwei AfD-Parteimitglieder, darunter auch Partei-Chefin Kristin Brinker, die beim Treffen in Potsdam mit dabei war. Die Empörung unter Kulturschaffenden ist groß, die Berlinale-Leitung argumentiert mit gültigen Vergaberegeln.

"Sowohl die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien als auch der Berliner Senat erhalten Einladungskontingente zur Berlinale-Eröffnung, die an die gewählten Abgeordneten aller Parteien im Abgeordnetenhaus vergeben werden. Vor diesem Hintergrund wurden die AfD-Vertreter zur Berlinale-Eröffnung eingeladen".

So heißt es in einem Statement, dass die Berlinale-Leiterin Mariette Rissenbeek am Sonntag auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht hat. Damit dürfte schon mal geklärt sein, dass die Berlinale die Berliner AfD-Vorsitzende Kristin Brinker und ihren Vize Ronald Gläser nicht aus Sympathie zur Eröffnung geladen hat – aber das stand wohl auch nie ernsthaft infrage.

Dennoch ist es Kristin Brinker gelungen, nun schon zum zweiten Mal in diesem noch sehr jungen Jahr mit ihrer Teilnahme an einer Veranstaltung für Empörung zu sorgen. Wurde doch erst kürzlich bekannt, dass sie im vergangenen Sommer in der Wohnung des ehemaligen CDU-Politikers Peter Kurth zu Gast war – gemeinsam mit einigen bekannten Rechtsextremen.

Dennoch ist und bleibt Frau Brinker die Vorsitzende einer demokratisch ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählten Partei und kommt als solche eben auch in den Genuss von Tickets für die Berlinale-Eröffnung. Darüber kann man sich aufregen und empören, das kann man angesichts des defizitären Kunsthorizonts dieser Partei und ihrer destruktiven Kulturpolitik verwerflich finden. Die Berlinale-Leitung fühlt sich dafür – zu Recht – nicht verantwortlich.

Fakt ist aber auch: Die AfD profitiert davon, dass mit ihr noch immer uneingeschränkt nach den Regeln der Demokratie, des Anstandes und der guten Sitten verfahren wird. Das Gespräche und Interviews geführt werden, obwohl ihre Amtsträger darin immer wieder lügen, die Tatsachen verdrehen oder schlicht arrogant-pampig werden. Dass ihre populistischen Behauptungen immer noch viel zu wenig und viel zu wenig informiert widerlegt werden.

Noch vor wenigen Tagen durfte der nun bald Berlinale-Gast Ronald Gläser im RBB behaupten, der Bürgerkrieg in Syrien – und damit der Aufenthaltsgrund Tausender syrischer Flüchtlinge in Deutschland – sei in Wahrheit vorüber. Die Aussage blieb unwidersprochen stehen. Alle Aufklärung über die AfD scheint deren Wählerschaft verfehlt zu haben. Bundesweit Hundertausende an den vergangenen Wochenenden werden die Partei nicht einfach wegdemonstrieren.

Und auch rechtliche Maßnahmen, wie der nun geplante Grundgesetzschutz für das Bundesverfassungsgericht allein können nur flankierend wirken. Zentral muss die Erkenntnis sein: Diese Partei ist nicht demokratisch und sie will keine Demokratie – außer, um sie zu ihrem Vorteil und als Mittel für die eigenen Zwecke zu nutzen.

Und nicht einmal darauf ist sie selbst gekommen, wie ein Zitat von Joseph Goebbels aus dem Jahr 1928 zeigt: "Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. […] Wir kommen als Feinde!"

Zumindest mit den Freikarten für die Berlinale-Eröffnung könnte man mal anfangen.

Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 06.02.2024 auf SR 2 KulturRadio.

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