Roman Polanski wird 90

Roman Polanski wird 90

Sky Nonhoff / Onlinefassung: Axel Wagner   13.08.2023 | 21:45 Uhr

Roman Polanski gilt als einer der ganz Großen des New Hollywood, obwohl er de facto nur zwei Filme in der sogenannten Traumfabrik inszeniert hat, darunter den Klassiker „Rosemarys Baby“. Polanski war tatsächlich immer ein europäischer Filmemacher.

Schön, wenn man einen Fürsprecher hat, und dieser Fürsprecher war kein anderer als der Hollywood-Produzent Robert Evans, dessen Timbre allein bereits ausreichte, um jede Gegenstimme sofort verstummen zu lassen. „Erstens wollte den Film bei Paramount niemanden machen. Und zweitens: ‚Polanski? Bist du irre? Der hat doch noch nie einen Film in Amerika gedreht. Kommt überhaupt nicht in Frage‘, worauf ich sagte: ‚Ich bin hier der Studioboss, ich will Polanski und keinen anderen‘“, erinnerte sich Evans.

Respekt für das Medium

Noch kennen jenen Roman Polanski nur Eingeweihte wie Robert Evans über den Psychothriller „Das Messer im Wasser“ oder die Isolations- und Psychosenstudie „Ekel“ mit Catherine Deneuve. Nun aber dreht er in Hollywood den Satanisten-Schocker „Rosemarys Baby“, nach dessen Welterfolg er, der nicht einmal eine Grundschule besucht hat, in aller Munde sein wird.

Wobei Polanski sein Medium stets mit gebührendem Respekt betrachtet hat: „Einen Film dreht man natürlich nicht chronologisch. Man dreht Szenen, die erstmal noch keinen Zusammenhang geben, und es gibt tausend Dinge, die an den roten Faden ständig aus den Augen verlieren lassen. Die Stunde der Wahrheit kommt dann, wenn die einzelnen Teile im Rohschnitt zusammengefügt werden. Und glauben Sie mir – das ist der Moment, indem man sich als Regisseur den Strick nehmen will.“

Filmemachen als Spielzeug

Dass aus dem Rohschnitt durchaus Sublimes entstehen kann, beweist Polanski nicht nur mit „Rosemarys Baby“, sondern etwa auch mit der ultrablutigen Shakespeare-Adaption „Macbeth“, „Chinatown“ oder dem surrealen Transidentitätsspiel „Der Mieter“.

Polanskis Selbstverständnis: „Das Filmemachen ist mein Spielzeug, meine Modelleisenbahn. Sobald ich am Set mit ihr spiele, kann mich nichts mehr ablenken. Viel schwieriger finde ich, den passenden Stoff zu finden. Einen Stoff, der es wert ist. Das eigentliche Problem ist das Thema. Oder anders ausgedrückt: Wovon will man erzählen?“

Erzählung über den Schauspieler

Natürlich erzählen die Filme eines Regisseurs immer auch etwas über ihn selbst. Und über seine Wünsche. Für „Chinatown“ ließ er die Schauspielerin Faye Dunaway so schminken, dass sie wie seine Mutter Bula aussah, die 1942, im vierten Monat schwanger, in Auschwitz ermordet worden war.

Er selbst hatte nicht zur Schule gehen können, weil er Jude war, und sich das Lesen und Schreiben selbst beigebracht – im Kino außerhalb des Warschauer Ghettos, während er die polnischen Untertitel dechiffriert hatte, die unter deutschen Filmoperetten mit Johannes Heesters und Marika Rökk durchliefen.

Proteste bei Aufführung

Im Oktober 2017 wurde eine Retrospektive der Filme des damals 84-jährigen Polanski in der Cinémathèque Française gezeigt, begleitet von massiven Protesten gegen ihn, der 40 Jahre zuvor ein minderjähriges Mädchen vergewaltigt hatte. Das ist – sagen wir es klar und deutlich – unentschuldbar. Und sagen wir ebenso deutlich, dass ein großes Werk, keinerlei Entschuldigung benötigt.

Polanskis Werk, dass seine Frage, wovon man erzählen will oder muss, in seinem Film „Der Pianist“ auf stupende, zeitlose und, ja, erschütternde Art beantwortet. Gleich in einer der ersten Szenen, in der ein Jude von einem deutschen Wehrmachtssoldaten brutal niedergeschlagen wird, nur weil er nicht gegrüßt hat. Der achtjährige Polanski musste das selbst miterleben, am Beispiel seines Vaters, und auch davon erzählt „Der Pianist“: wie die Kamera das eigene Auge ersetzen kann.

Über dieses Thema hat auch SR 2 Canapé vom 13.08.2023 berichtet.

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