"VRAAAOUUM"

Der 12jährige, der jeden Donnerstag mit ein paar Pfennigen zum kleinen Zeitschriftenlädchen an der Ecke pilgerte, war ich. Denn ich hatte eine feste Verabredung mit dem Comicmagazin Zack und Leuten wie Corto Maltese, Lieutenant Blueberry oder - Michel Vaillant.

Jean Graton hatte schon Renngeräusche um die Ohren, bevor er richtig reden konnte. Sein Vater veranstaltete Motorradrennen in und um seine Heimatstadt Nantes (der Partnerstadt von Saarbrücken). Als Jean 13 war, nahm der Vater ihn erstmals mit zu den 24 Stunden von Le Mans. Auch wenn das Leben Jean beutelte, so landete er doch immer bei den Boliden: Als Pressezeichner heuerte er nach dem Krieg in Brüssel an, sein Chef war gleichzeitig Chef des belgischen Automobilrennstalls. Und als Graton für Tintin und Spirou anfing zu zeichnen, durfte er bald seiner Liebe zu Motoröl, Einspritzpumpen und großen Champions freien Lauf lassen: Vaillant (der Wackere), Michel (nach einem Nachbarssohn, der Crossrennen fuhr), das schien der passende Name für einen blendend aussehenden, schwarzhaarigen, jungenhaften, mit dem Firniß der Helden ausgestatteten Rennfahrer. Dem der früh verwaiste Graton eine richtige Familie zugesellte – außergewöhnlich für die damalige Zeit in Heldencomics.

Die Vaillants und ihr jüngster Sohn trug der Zeichner und Autor dann auf die Rennstrecken und in die Boxen – denn Graton recherchierte akribisch, und als Journalist auch immer nah dran seine spannenden Geschichten. Ja, in manchen Zeiten war Michel Vaillant fast ein echtes Mitglied des Formel-1-Zirkus, so atemlos hatten die dort Beteiligten immer seine Abenteuer verschlungen. Die sich manchmal auch einfach zu spannenden Krimigeschichten entwickelten. Und die von Graton, dann seinem Sohn Philippe, jetzt von neuen Autoren und Zeichnern auch nach seinem Tod 2021 fortgesetzt wird – in einer völlig veränderten Zeit, auch im Motor-“Sport“.

Immer donnerstags:  "Zack" gekauft - und "abgemeldet"

Wer es nicht am eigenen Leib erfahren hat – ich war damals den Rest des Nachmittags nach Hausaufgaben und Heftchenkauf „abgemeldet“ – der kann sich kaum vorstellen, wie sehr uns Jungs die markigen Männer in ihren bunten Kisten fesselten. Nein, ich bin kein Formel-1-Fan geworden in Zeiten von Greta Thunberg, ich stehe nicht mal auf schnelle Autos, aber nach wie vor auf spannende Geschichten. Nein, die eher dienende Rolle der Frauen in der Vaillant-Familie (immerhin arbeiteten die jüngeren Damen in der Firma mit und durften auch in manchem Abenteuer ans Steuer) hat mich nicht zum Macho gemacht. Vielleicht war schon damals Gratons sanfte Ironie gegenüber den ungern beim Abwasch helfenden Helden angekommen. Aber wie in 24-Stunden-Rennen, bei 300 km/h oder auf von Blitzen erhellten Nachtpisten der Rallys sich selbst immer wieder überwindende große Buben mit Helmen dahinrasten, wie sie ihren Ängsten und Rivalen die Stirn boten, wie sie Bösewichtern, Saboteuren und süffisanten Kapitalisten den Garaus machten, dabei die Nachkriegswirtschaftswunder mit glitzernden Karosserien und röhrenden Träumen versorgten, das war die Bewunderung wert.

Und das Fiebern auf die am nächsten Donnerstag folgende „Fortsetzung“. Die ich sorgfältig ausschnitt und in Ordnern aufhob (einen habe ich noch heute), Comic-Alben kaufen wäre zu teuer gewesen. Und hatte nicht den gleichen Thrill. Den aber spüre ich etwas wehmütig heute noch beim ein wenig mühsamen Lesen (was ist das KLEIN geschrieben!) der Collector’s Edition (von Egmont in der deutschen Ausgabe), in der Stück für Stück die von Jean Graton komponierten Werke neu herausgebracht werden – und die sich natürlich vor allem an ältere Herren wie mich wendet. Denen Michel das ewige jugendliche Grinsen und eine ewige Jugend voraus hatte, damals schon.

Auf Deutsch jetzt gediegen als Collector's Edition

Mit Kommentaren von Jean Graton, viel sorgfältig ausgesuchtem Material, den kompletten Vaillant-Kurzgeschichten und sogar einer Geschichte des Rennsports.

Jean Graton Michel Vaillant Collector's Edition
Egmont Comic Collection
ISBN 978-3-7704-0188-8

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