"Eine neue Generation muss es nun richten"

Er ist einer der wichtigsten Comickenner und Comicbeförderer in Deutschland: Klaus Schikowski - bei Carlsen Comics mit dafür verantwortlich, dass Klassiker und neue Projekte auf den Markt kommen. Jetzt ist seine Comicgeschichte neu überarbeitet erschienen - ein Standardwerk. Exklusive Antworten auf die Fragen von www.sr.de/bd.

Wie viele Comics muss man gelesen haben, um es sich zu trauen, eine Comicgeschichte zu schreiben?

Ich glaube, es geht nicht um die Menge, sondern wie lange man schon Comics liest. Ich habe in den frühen 70er-Jahren begonnnen und quasi alles aufgesaugt, was es an Comics zu lesen gab. Im Laufe der Zeit hat sich ein enormes Wissen entwickelt, vor allem über die Besonderheiten der einzelnen Comic-Kulturen (USA, Frankreich/Belgien, später Japan). Die Entwicklungen dieser Kulturen sind dabei äußerst spannend, weil sie sich im Grunde fast unabhängig voneinander entwickelt haben. Das Ganze dann noch mit deutschen Verhältnissen zu vergleichen hat einen großen Reiz, da ich ja gut 50 Jahre dieser Entwicklung selbst miterlebt habe.

 Wo liegen die Unterschiede zwischen Comicstrip, Bildergeschichte und Graphic Novel?

Im Grunde genommen könnte man das auch als einzelne Bausteine bezeichnen. Der Comicstrip ist eine kurze Bildergeschichte, wo mit wenigen Panels etwas erzählt wird – beispielsweise bei den Peanuts. Der Comicstrip war am Anfang das Hauptprinzip in der Veröffentlichung von Comics, denn Zeitungen druckten Comicstrips ab, diese waren quasi eine Rubrik. Inhaltlich waren die Comicstrips in den Anfangstagen (um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert) eher humoristisch geprägt.

Innerhalb eines Comicstrips lassen sich aber keine größeren Geschichten erzählen, deshalb nutzte man Comichefte – oder wie man in den USA sagt comic books – und Comicalben, um die Erzählung ausweiten zu können. Hier könnte man als Beispiel die Disneygeschichten von Donald Duck oder Micky Maus anführen, die Superheldengeschichten oder eben auch die Comics von Hergé (Tim und Struppi).

Der nächste Schritt der Evolution ist dann die Graphic Novel, die sich insofern vom normalen Comic unterscheidet, dass sie eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt und mit einem kleinen Format dem Buch näher ist. In der Bildsprache aber unterscheidet sich eine Graphic Novel nicht, denn es handelt sich hier ebenso um grafisches Erzählen wie im Comicstrip oder der Bildergeschichte. Die Graphic Novel ist letztendlich nur der Versuch, das Komische (das ja auch schon im deutschen Namen Comic – comical steckt) zu überwinden.

Wie kommt es, dass in Deutschland Comics erst in den letzten Jahren „ernst“ genommen werden?

Weil viele Entwicklungen aus den USA oder aus Frankreich hierzulande überhaupt nicht wahrgenommen oder aufgenommen wurden. Während sich beispielsweise Comics für Erwachsene in anderen Ländern Ende der 1960er ausprägten, boomten hier Fix und Foxi von Rolf Kauka. Eine Professionalisierung in der Verlagslandschaft – also auch ein Ernstnehmen der Inhalte in der Branche selbst – führte erst dazu, dass Comics auch in Deutschland anders wahrgenommen wurden.

Welche Rolle spielte und spielt das traditionelle franko-belgische Comic in Deutschland?

Immer noch eine sehr große, wie man bei jedem neuen Asterix-Album sehen kann, oder beim großen Erfolg von Spirou in Berlin von Flix, wo erstmals ein deutscher Zeichner diese frankobelgische Ikone zeichnen durfte. Manga, Superhelden und frankobelgische bande dessineé sind auch heutzutage die wichtigsten Importe auf dem Comicmarkt.

Und wie ist es mit den Autoren der Neunten Kunst aus Frankreich und Belgien heute?

Die großen Künstler, die eine ganze Ära begründet haben, sind mittlerweile alle verstorben. Eine neue Generation muss es nun richten, die muss aber natürlich auch mit dem großen Erbe umgehen und eine eigene Stimme finden. Interessant finde ich es, wenn sich Comicreihen öffnen, so wie es mit Spirou und Fantasio passiert ist, dort haben neue Zeichner auch neue Interpretationsmöglichkeiten der Figur bekommen. Und wenn ein Émile Bravo dann hingeht und Geschichten aus dem besetzten Belgien mit Spirou erzählt, die stark realistisch verankert sind, dann hat der frankobelgische Comic auch weiterhin Relevanz.

Welche Comicreihen hat Klaus Schikowski komplett zuhause?

Mittlerweile ist es wie bei einem Jazzpuristen: Ich muss nicht mehr alles haben, aber das Wichtigste in der besten Ausstattung. Und als Fan von Klassikern wie Franquin (Spirou und Fantasio, Gaston), Peyo (Die Schlümpfe), Giraud (Leutnant Blueberry), Jack Kirby (Fantastic Four), Lewis Trondheim (Herr Hase) oder Carl Barks (Donald Duck) bleibt ganz schön viel Papier in der Wohnung. Dann will man ja auch noch auf dem Laufenden bleiben. Meine Frau würde sagen, ich hätte viel zu viele Reihen komplett zuhause.

Was man sonst noch über BD erfahren kann

Sie suchen nach bestimmten Comics - oder wollen einfach nur stöbern? Die bisherigen Artikel unserer Seite zu frankophonen Comics in Deutschland finden Sie hier.

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