Hände einer jungen und einer älteren Person (Foto: picture alliance/dpa | Jana Bauch)

Wie Pflegende demenzkranker Personen trotzdem in Urlaub fahren können

  25.02.2024 | 11:40 Uhr

Wer einen nahestehenden, an Demenz erkrankten Menschen pflegt, dem fällt es oft schwer, ihn in fremde Hände zu übergeben – etwa für die Zeit eines Urlaubs. Doch deshalb einfach auf Erholung zu verzichten, hilft niemandem, sagt der Leiter der Landesfachstelle Demenz. Im Gegenteil: Pflegende sollten zu ihrem eigenen Wohl alle Leistungen in Anspruch nehmen, die es gibt. Welche das sind.

Wer einen demenzerkrankten Angehörigen pflegt, der kommt kaum je zur Ruhe. Vor allem die häusliche Pflege erfordert viel Zeit und Kraft. Eigene Bedürfnisse werden dabei oft hintangestellt. Mal für eine Woche in den Urlaub zu fahren, wieder Energie zu tanken, das verbietet meist das Gewissen. Ein Fehler, sagt Andreas Sauder, Leiter der Landesfachstelle Demenz in Saarlouis.

"Es nützt niemandem etwas, wenn sich der pflegende Angehörige von Tag zu Tag völlig erschöpft durchkämpfen muss – weder ihm selbst noch der pflegebedürftigen Person." Im schlimmsten Fall breche der Angehörige irgendwann unter der Last zusammen. "Erholungsurlaub ist daher extrem wichtig. Nicht umsonst gibt es dafür finanzielle Hilfen", so Sauder. Er ermutige jeden dazu, diese auch in Anspruch zu nehmen.

Zwei Leistungen der Pflegeversicherung steht pflegenden Angehörigen dabei zur Verfügung: die Kurzzeit- und die Verhinderungspflege.

Kurzzeitpflege: Bis zu 1774 Euro im Jahr

"Die Kurzzeitpflege ist eine Hilfe, die überwiegend von Pflegeheimen angeboten wird, die einen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen abgeschlossen haben", erklärt Sauder. Dort können Pflegebedürftige für einen begrenzten Zeitraum von bis zu acht Wochen pro Jahr stationär betreut werden.

Die Kurzzeitpflege kann jederzeit ohne besondere Begründung in Anspruch genommen werden. Die Pflegeversicherung unterstützt den Aufenthalt in einer stationären Einrichtung bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 mit bis zu 1774 Euro pro Jahr.

Pflegebedürftige Personen mit dem Pflegegrad 1 können den Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro pro Monat, also bis zu 1500 Euro pro Jahr, einsetzen, um Leistungen der Kurzzeitpflege zu beanspruchen. Auch Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können für Leistungen der Kurzzeitpflege zusätzlich den Entlastungsbetrag nutzen. Während der Kurzzeitpflege wird zudem die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes weitergezahlt.

"Um einen Eindruck zu bekommen, ob die Kurzzeitpflegeeinrichtung für einen Menschen mit Demenz geeignet ist, sollten die Angehörigen im Vorfeld einen Besichtigungstermin vereinbaren", rät Sauder. Denn durch die fremde Umgebung könne es vor allem bei Demenzerkrankten im fortgeschrittenem Stadium zu Verhaltensauffälligkeiten kommen.

Deshalb sei es wichtig, sich nach dem Pflegekonzept zu erkundigen – und etwa zu fragen, ob das Personal im Umgang mit Menschen mit Demenz geschult ist und deren besonderen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Zudem sollten sich pflegende Angehörige möglichst frühzeitig um einen Platz kümmern – denn in vielen Einrichtungen seien die Kurzzeitpflegeplätze rar, die Wartelisten also lang.

Verhinderungspflege: Bis zu 1612 Euro

Eine zweite Möglichkeit für pflegende Angehörige, sich eine Auszeit zu nehmen, bietet die Verhinderungspflege. Dabei springt eine Ersatzpflegekraft für den Zeitraum des Urlaubs ein. Die pflegebedürftige Person bleibt im Gegensatz zur Kurzzeitpflege dann in ihrer gewohnten Umgebung.

Wie viel die Pflegeversicherung übernimmt, hängt dabei davon ab, wer die Vertretung übernimmt. "Übernehmen entfernte Verwandte, Nachbarn oder ein Pflegedienst die Pflegevertretung, zahlt die Pflegekasse für sechs Wochen bis zu 1612 Euro pro Kalenderjahr", erklärt Sauder. Auch hier wird zudem die Hälfte des Pflegegeldes ausgezahlt.

Wenn die Ersatzpflege aber von einer Person geleistet wird, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist oder mit ihm unter einem Dach lebt, dann gebe es von der Pflegekasse nur Aufwendungen in Höhe des Pflegegeldes.

Voraussetzung für die Verhinderungspflege ist außerdem, dass die Pflegeperson davor bereits sechs Monate im Einsatz war und die oder der Pflegebedürftigte mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft wurde.

Kurzzeit- und Verhinderungspflege miteinander kombinieren

Es ist auch möglich, "nicht in Anspruch genommene Leistungen der Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege auf die jeweils andere Pflegeart anzurechnen und miteinander zu kombinieren", erklärt Sauder.

Der Betrag der Verhinderungspflege könne demnach mit bis zu 806 Euro aus der Kurzzeitpflege aufgestockt werden, wenn dieser Betrag in der Kurzzeitpflege nicht genutzt wurde. Für die Verhinderungspflege können so im Jahr maximal 2418 Euro in Anspruch genommen werden.

Gleichzeitig könne der Betrag der Kurzzeitpflege mit dem Anspruch aus der Verhinderungspflege um 1612 Euro erhöht werden, wenn die Verhinderungspflege nicht genutzt wurde. Im Jahr können Pflegenden so bis zu 3386 Euro für die Kurzzeitpflege zur Verfügung stehen.

Nähere Informationen zu den Leistungen gibt es auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums.

Mit Demenzerkrankten in Urlaub fahren?

Wer die pflegebedürftige Person nicht in fremde Hände übergeben und trotzdem nicht auf einen Urlaub verzichten will, der kann auch eine gemeinsame Reise planen. Dabei gibt es allerdings gerade bei Demenzerkrankten einiges zu beachten, sagt Sauder. "Es kommt auch auf das Stadium an, bei beginnender Demenz sollte das kein allzu großes Problem darstellen, bei einer fortgeschrittenen ist es dagegen schwierig."

Menschen mit Demenz bräuchten vor allem Routinen, um sich ruhig und sicher zu fühlen. Gewohnte Abläufe sollten daher auch auf Reisen beibehalten werden. Die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) e.V. gibt dafür den Tipp, ein paar Kleinigkeiten von Zuhause mit in die Reisetasche zu packen. "Die Lieblingstasse, der Kissenbezug oder Familienfotos können in der fremden Umgebung zu vertrauten Ankerpunkten werden."

Pflegende sollten sich zudem nicht zu sehr unter Druck setzen, um den Urlaub so schön wie möglich für die erkrankte Person zu gestalten. Wichtig sei es, bei Problemen möglichst souverän zu bleiben – zum Beispiel, wenn die ungewohnte Umgebung und neue Abläufe doch mehr Stress bereiteten als erwartet. "Selbst wenn gesundheitliche Probleme auftauchen oder Sie vorzeitig nach Hause fahren müssen: Es zählt, dass Sie es gemeinsam versucht haben."

Um zu testen, ob ein gemeinsamer Urlaub überhaupt eine gute Idee ist, könnten die pflegende und pflegebedürftige Person auch erst einmal einen Tagesausflug unternehmen, rät Sauder. Idealerweise an einen Ort, an den viele Erinnerungen geknüpft sind.

Betreuter Urlaub: Gut für Pflegende und Pflegebedürftige

Wer im Urlaub ausnahmsweise mal keine 1:1-Betreuung leisten will, kann zudem professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, erklärt die AFI.

Mittlerweile gebe es vermehrt Angebote, die speziell auf die Bedürfnisse von Demenz-Patientinnen und -Patienten und ihre Angehörigen zugeschnitten sind. "Während die Patienten und Patientinnen von geschultem Fachpersonal betreut werden, bleibt der Betreuungsperson Zeit für Entspannung und Freizeitangebote."

Nähere Informationen zu einem betreuten Urlaub finden pflegende Angehörige beispielsweise hier.


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