Braucht das Saarland einen "Rat der Künste"?

Braucht das Saarland einen "Rat der Künste"?

Kultur wieder sichtbar machen

Reporter: Johannes Kloth / Onlinefassung: Nadja Schmieding   07.05.2025 | 08:40 Uhr

Wie kann die Szene ihre Interessen lauter vertreten – gerade in Zeiten, in denen Kultur überall von Kürzungen bedroht ist? In manchen Städten gibt es dafür ein Gremium, den sogenannten "Rat der Künste" – eine gewählte Interessenvertretung der Kulturschaffenden. Auch im Saarland wird jetzt über ein solches Modell nachgedacht.

Organisiert wurde die Podiumsdiskussion vom "Netzwerk Freie Szene Saar". Es war bereits das zweite Mal in kurzer Zeit, dass sich das Netzwerk als Sprachrohr der Kulturszene des Landes in Stellung gebracht hatte. Vor ein paar Wochen gab es schon eine viel beachtete Diskussionsveranstaltung zum Rückgang der Kulturberichterstattung.

Video [aktueller bericht, 07.05.2025, Länge: 3:07 Min.]
Braucht es einen „Rat der Künste“ im Saarland?

Auf dem Podium fürs Netzwerk saß Corinna Preisberg, außerdem geladen waren: Kulturministerin Christine Streichert-Clivot, die Saarbrücker Kulturdezernentin Sabine Dengel und Kathrin Tiedemann, künstlerische Leiterin beim "Forum Freies Theater" und Mitglied im "Rat der Künste" in Düsseldorf.

Was genau ist ein "Rat der Künste"?

Das hat Kathrin Tiedemann recht anschaulich am Beispiel Düsseldorf geschildert. Dort gibt es den Rat seit 2018, er ist damals im Zusammenhang mit einem Kulturentwicklungsplan der Stadt gegründet worden. Dieser Rat besteht aus zwölf ehrenamtlichen Mitgliedern, die verschiedene Bereiche vertreten – einerseits staatliche und städtische Institutionen, aber auch der freien Künste oder auch der Kreativwirtschaft.

Die Macher von "Ode to Joy" Bérengère Brulebois und Julien Blondel (Netzwerk Freie Szene Saar) (Foto: SR)
Die Macher von "Ode to Joy" Bérengère Brulebois und Julien Blondel (Netzwerk Freie Szene Saar)

Szene unterstützen und vernetzen

Gewählt wird der Rat in einer offenen Vollversammlung aller Kulturschaffenden. Er hat dann die Aufgabe, Akteure zu vernetzen, Veranstaltungen zu organisieren, Stellungnahmen zu veröffentlichen – und für Politik und Verwaltung Empfehlungen abzugeben.

Kultur wieder sichtbar machen

In Düsseldorf hat der Rat sogar einen Sitz im Kulturausschuss. Dabei hat er aber kein Stimmrecht. Es gehe eher um die Bündelung von Interessen, sagt Kathrin Tiedemann: „Erstmal geht es, glaube ich, darum, in der Gesellschaft die Bedeutung der Kultur immer wieder sichtbar zu machen, darzustellen. Und ich glaube, gerade in schwierigen Zeiten sind Kultureinrichtungen und Kulturarbeit sehr, sehr wichtig."

Es geht also nicht nur um Kulturförderung, sondern vor allem um den Austausch und Sichtbarkeit – und um die Frage: Wie kommen alle an einen Tisch? Institutionen, Freie, Kulturvereine, Soloselbstständige – und eben die Politik.

Saarländischer "Rat der Künste"?

Der Abend sei ein "erster Aufschlag", hieß es mehrfach. Kulturministerin Streichert-Clivot zeigte sich offen für die Idee: "Ein Rat der Künste kann dafür sorgen, dass die Vielfalt der Akteure, die wir im Land haben, auch dargestellt wird und auch für sich gemeinsam ein Sprachrohr findet. Ich glaube, die große Stärke im Saarland, wenn ich auf die Kulturschaffenden blicke, dann ist es, dass sie sehr eng miteinander zusammenarbeiten, sich gegenseitig unterstützen – und solche Initiativen aus den Reihen der Künstlerinnen und Künstler, Kulturinstitutionen, das kann die Kulturpolitik im Land nur besser machen."

Christine Streichert-Clivot (SPD) am 17.06.2024 (Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)
Christine Streichert-Clivot (SPD)

Kulturministerin Streichert-Clivot kann sich einen Kulturrat also gut vorstellen im Saarland. Trotzdem bleiben eine ganze Menge offener Fragen: Kann diese permanente Gremienarbeit am Ende nicht auch Kreativität, die ja eine Kulturszene ausmacht, lähmen? Braucht es noch mehr Gremien?

Struktureller Unterschied zu Großstädten

Letztlich muss man sehen: Das Saarland ist ein Flächenland mit vielen Kommunen, mit kleinen und kleinsten Initiativen – das ist strukturell kaum vergleichbar mit Großstädten wie Düsseldorf oder Freiburg, wo sich der "Rat der Künste" auch vielfach um urbane Themen wie zu wenige Proberäume z. B. kümmert.

So ein "Rat der Künste" ist viel Arbeit. Und es braucht Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, viel Zeit zu investieren, zu vermitteln zwischen unterschiedlichen Interessen.

Das Netzwerk Freie Szene, das hat man gestern gemerkt, würde am liebsten sofort damit loslegen. Doch am Ende wird es darauf ankommen, ob es gelingt, Vertrauen bei allen Kulturschaffenden zu erzeugen, Themen zu bündeln und daraus gemeinsame Positionen zu entwickeln. Nur dann kann es am Ende eine starke Interessenvertretung geben.


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