Jaime Bayly: „Die Genies"

Jaime Bayly: "Die Genies"

Tobias Wenzel   20.05.2025 | 18:01 Uhr

Der peruanische Schriftsteller Jaime Bayly hat ein Buch über das Ende der berühmten Freundschaft zwischen Gabriel García Márquez und Mario Vargas Llosa geschrieben. Tobias Wenzel hat das Buch gelesen und mit dem Autor darüber gesprochen.

„Ich wollte unbedingt wissen, wie der Faustschlag zu erklären ist, den Vargas Llosa García Márquez 1976 in einem mexikanischen Theater verpasst hat.“

Jaime Bayly erklärt, was ihn zu seinem Roman „Die Genies“ inspiriert hat.  Schon als junger Mann fragte Bayly unabhängig voneinander Mario Vargas Llosa und Gabriel García Márquez, warum die Freundschaft der beiden Schriftsteller so brutal geendet hatte. Vargas Llosa schwieg.

"García Márquez hat gelacht und gesagt: 'Sprich mit meinen Freunden!' Über die Jahre habe ich dann nach und nach mit seinen besten Freunden darüber gesprochen. Und alle haben mir gesagt, Mario Vargas Llosa habe Gabriel García Márquez aus Eifersucht geschlagen.“

Hatte García Márquez versucht, mit Patricia Vargas, der Ehefrau von Mario Vargas Llosa, zu schlafen? Ausgehend von der Frage nach dem Motiv des Faustschlags fächert Bayly geschickt das Leben der beiden Großliteraten auf. Man sieht es allzu bildlich vor sich, wie sich Vargas Llosa auf einem Schiff in Gegenwart seiner Frau in ein peruanisches Model verliebt oder wie García Márquez in frühen Jahren aus Geldnot in der Pariser Metro singt und bettelt. Man wünscht sich geradezu eine Verfilmung. Der Roman aber ist keine große Literatur, weil Baylys Sprache nicht präzise genug ist und weil er wunderbare Einfälle – Vargas Llosas Vater will mit einem Revolver die Trauung seines Sohnes verhindern – nur skizziert, anstatt sie atmosphärisch dicht zu erzählen.
1967 lernten sich García Márquez und der damals viel erfolgreichere Vargas Llosa in Venezuela persönlich kennen, wurden Nachbarn in Barcelona und Freunde. Bis Vargas Llosa García Márquez ein blaues Auge schlug. So wie Vargas Llosas Vater Ernesto einst seinen Sohn verprügelte. Ernesto arbeitete später als Kellner in Los Angeles. Im Roman muss Ernesto seinen mittlerweile berühmten Sohn bedienen und wird von ihm gedemütigt:

„Du riechst nach Achselschweiß, Ernesto. Du stinkst.“
Ernesto Vargas senkte den Blick. Jetzt hatte Mario, sein Sohn, die Macht: die Macht des Wortes, die Macht des Geldes, die physische Macht, die Macht, ihn zu verprügeln, wenn es ihm beliebte.
„Ist mir nicht aufgefallen, Mario. Ich bitte tausend Mal um Entschuldigung.“
„Benutzt du kein Deodorant?"

Im Roman, den Willi Zurbrüggen tadellos übersetzt hat, erscheint García Márquez als treuer Ehemann, der nur ins Bordell geht, um dort Interviews zu führen, Vargas Llosa dagegen als eifersüchtiger Macho, der seine Frau mit Prostituierten betrügt. Vielleicht hat Bayly – durchaus unbewusst – García Márquez idealisiert und Vargas Llosa unsympathischer dargestellt, als er wirklich war. Bayly und Vargas Llosa haben sich jedenfalls vor Jahren aus politischen Gründen überworfen. Kam es vielleicht auch zwischen Vargas Llosa und García Márquez wegen politischer Differenzen zum Bruch und nicht nur aus Eifersucht? Als sie sich 1967 kennenlernten, waren beide noch Kommunisten:

"Neun Jahre später ist Vargas Llosa kein Kommunist mehr. Außerdem ist der berühmtere und erfolgreichere Autor der beiden, das Genie, fast ein Gott, nicht mehr Vargas Llosa, sondern García Márquez. Deshalb könnten sich in diesem Faustschlag viele Gefühle vermengt haben. Nicht nur: 'Du wolltest mit meiner Frau schlafen!' Sondern auch: 'Du bist ein Lakai Fidel Castros!' Und vielleicht hat Mario auch einen gewissen literarischen Neid empfunden.“

„Die Genies“ ist kein sprachlich überzeugendes Buch, aber die unterhaltsame Antwort auf die Frage, wie diese berühmte Freundschaft so brutal enden konnte.


Jaime Bayly
"Die Genies"
aus dem Spanischen übersetzt von Willi Zurbrüggen
dtv Verlag

336 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978-3-423-28460-8


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 20.05.2025 auf SR kultur.

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