Martin Suter: "Wut und Liebe"

Martin Suter: "Wut und Liebe"

Martin Maria Schwarz   23.04.2025 | 16:40 Uhr

Der Schweizer Schriftsteller Martin Suter gehört längst zu den Selbstläufern auf dem Buchmarkt, er verfügt über eine treue Fangemeinde. Nun erscheint sein nächster Roman. Maria Schwarz stellt ihn vor:

Es brennt gleich auf zwei Feldern in Martin Suters neuem Roman.  Zum einen in der Beziehung des erfolglosen Künstlers Noah Bach zu seiner Freundin, der schönen Buchhalterin Camilla, beide Anfang 30. Camilla sorgt für den Unterhalt beider, leidet an dieser prekären Situation, und zwar so, dass sie sie für nicht mehr länger ertragbar hält.

" Ich meine es ernst. Ich verlasse Dich."
"Warum?"
"Weil ich nicht mehr kann."
"Mich lieben?"
Camila stand auf, ging aus dem Zimmer und kam mit einer brennenden Zigarette zurück.
"Du rauchst wieder?"
"Genau. Auch so was, was nicht nötig wäre. Rauchen? Aber weißt du, was das ist? Resignieren. Ich bin einunddreißig und resigniere. Ich arbeite als Buchhalterin und – verzeih- füttere einen Künstler durch."

Es kommt aber noch eine zweite Beziehung ins Spiel. In einer Bar lernt der gefrustete, dringend nach Geld für die Alltagsfestigkeit seiner Beziehung suchende Noah die 65jährige Betty Hasler kennen. Diese ist ebenso liebesgekränkt und zusätzlich voller Hass auf den Geschäftspartner ihres vor drei Jahren gestorbenen Mannes, dem sie die Schuld an dessen Herztod gibt. Und sie hat Geld. Und sie würde demjenigen, der diesen Peter W. Zaugg tötet, 1 Million geben. Das äußert sie Noah gegenüber. Und nun brennt noch ein zweites Feld. Denn Noah ist nun mal besessen davon, Camilla für sich zurückzugewinnen.

Das ist das Setting des Romans – man könnte auch sagen: das Konstrukt. Denn Noah ist zufällig auch noch ein guter Gewehrschütze und bereit, liebeskrank, wie er ist, das scheinbar Beziehungs-Rettende zu tun und gegen den offenbar hassenswerten Zaugg aufs Ganze zu gehen:

Zum ersten Mal musste Noah den Gedanken verscheuchen, Zaugg könnte eine andere Route gewählt haben. Er versetzte sich wieder in den Zustand der absoluten Sicherheit, dass er nächstens hier sein würde.
Und so war es denn auch.
Zaugg im hautengen Gelben tauchte auf.
Noah legte an.
Zaugg erschien im Zielfernrohr.
Wurde etwas langsamer.
Noah legte den Zeigefinger um den Abzug und schloss langsam die Faust wie um eine Zitrone, die er auspressen wollte.

Klar, Martin Suter ist auch ein in Krimiangelegenheiten erfahrener Autor und weiß, wie man Konstellationen zum Atemanhalten schafft. Und so schält sich nach und nach ein zentrales Thema in diesem Roman heraus:  Die tiefe Verzweiflung angesichts verlustig gegangener Liebespartner und die Frage, wie weit man gehen würde, um die klaffende Wunde zu heilen. Bis sich dieser Plot mehr und mehr in die Welt der Reichen und schließlich auf den Kunstmarkt zu verschieben beginnt, ahnt man nicht, in was für ein labyrinthisches System aus Intrigen und falschen Erzählungen sich dieser Roman noch hineinentwickeln wird. Das gehört durchaus zu seinen Vorzügen, auch weil Suter wieder souverän sein in vielen vorhergehenden Romanen erprobtes Spiel mit Sein und Schein aufzieht, die Detektiv-Norm im Hintergrund aufscheint: prüfe wer dir was erzählt. Und generell gilt: mach-Dich-Darauf gefasst; Leser, dass die Vorzeichen stets munter wechseln. Gerade Betty wird hier noch sehr auffällig werden, durchaus auch mit lebensklugen, querläufigen aperçues.

Betty und Noah saßen am großen Fenster, dessen Vorhänge noch nicht zugezogen waren, ein Teekrug und zwei Tassen zwischen ihnen. Noah hatte ihr von Camillas Pleite und seiner aufgeflogenen Lügengeschichte über Gebert und Lüthi erzählt.
"Ihr habt euch beide etwas vorgemacht. Man will gut dastehen voreinander. In der Liebe ist die Lüge ein Liebesbeweis. Die Wahrheit ist für die vorbehalten, die einem egal sind."

Schade ist aber, dass das anfangs so verheißungsvoll gesetzte Thema von zwar ehrlich empfundener, aber nicht lebbarer Liebe von Martin Suter kaum weiter vertieft wird. Das betrifft aber nahezu alle weiteren Motive, die in diesen Roman hineingestrickt sind: die kritische Beziehung zwischen Galeristen und Künstler, die Kunst als Spielball der Vermögenden, Freundschaft in Geschäftsbeziehungen, Kinder, die in Affären gezeugt wurden, Geldwäsche etc. etc. Sie werden vom Autor zur geflissentlichen Anschauung in die Vitrine seines Textes gestellt, dann aber schon wieder weggeräumt, weil der nächste Einfall seinen Platz beansprucht. Das kann man als abwechslungsreich und unterhaltsam erleben, aber auch als gehetzt, auf jeden Fall wenig konsistent. Und so lässt sich für das Fazit oder zur Erklärung der Frage, ob man diesen Roman lesen sollte oder nicht, das letzte Wort, das in diesem Text gesetzt ist, in Anspruch nehmen: „Egal.“


Martin Suter
"Wut und Liebe"
Diogenes Verlag
304 Seiten, 26 Euro
ISBN: 978-3-257-07333-1


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 23.04.2025 auf SR kultur.

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