Clara Arnaud: "Im Tal der Bärin"

Clara Arnaud: "Im Tal der Bärin"

Susanne von Schenck   13.02.2025 | 18:00 Uhr

Der erste Roman der französischen Autorin Clara Arnaud, der nun auf Deutsch erscheint, in Frankreich ist es ihr dritter. „Im Tal der Bärin“ wurde in Frankreich mit sieben Literaturpreisen ausgezeichneter. Susanne von Schenck hat den Roman gelesen.

Bücher über das Verhältnis von wilden Tieren und Menschen haben Konjunktur. Markus Thielemann zum Beispiel hat mit „Von Norden rollt ein Donner“ über die Rückkehr der Wölfe in die Lüneburger Heide geschrieben. Clara Arnauds Buch „Im Tal der Bärin“ spielt in den Pyrenäen. Dort gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts rund 150 Bären, 1990 waren es dann nur noch sieben. Durch Auswilderung ist die Zahl inzwischen wieder auf über 80 angestiegen - Konflikte bleiben nicht aus.

Die Romanhandlung beginnt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der junge Jules, einer der drei Protagonisten, träumt davon als Bärendompteur in Amerika zu Ruhm zu kommen, allein, es fehlt der Bär. Wie es ihm gelingt, ein kleines Bärenweibchen zu fangen, erzählt Clara Arnaud gleich zu Beginn. Jules passt genau den Moment ab, als die Bärenmutter gerade auf Nahrungssuche ist und kriecht in die Höhle. Man spürt förmlich die engen, rauen Wände, die knapper werdende Luft, den Angstschweiß des Jungen. Der Raub gelingt ihm. Jules Traum verwandelt sich im Verlauf des Romans allerdings in einen Albtraum.

Nach diesem fulminanten Einstieg sind die Erwartungen an die Geschichte groß. Deren Schwerpunkt liegt in der Gegenwart und erstreckt sich über ein paar Sommermonate. Da ist Gaspard, die zweite Hauptfigur. Er ist nach Jahren des Studiums und Herumreisens mit seiner Familie aus Paris wieder in seine Heimat zurückgekehrt und hat eine Schäferlehre gemacht.

Der Alltag war hart und brachte den Körper an seine Grenzen. Aber er hielt auch magische Momente bereit, die die Ängste und Zweifel wettmachten, etwa, wenn man den Blick über den Horizont schweifen ließ und eins war mit den Bergen und den Schafen.

Die fünfte Saison auf der Hochalm steht bevor, kein einfacher Schritt für Gaspard, denn der tödliche Unfall einer jungen Schäferin und der Absturz zahlreicher Schafe steckt ihm noch in den Knochen. Wie das geschah und ob dabei möglicherweise ein Bär im Spiel war, bleibt vorerst im Dunkeln.

Alma, die dritte Protagonistin, arbeitet als Ethologin im Zentrum für Biodiversität in Arpiet, dem Schauplatz des Romans, und erforscht das Zusammenleben von Bären und Menschen. Ein Neuanfang für die Mitdreißigerin, die eine unglückliche Beziehung in Alaska hinter sich hat. In der ländlich-konservativ geprägten Region wird sie schräg angesehen - eine Fremde eben. Ständig muss sie ihre Arbeit verteidigen und fragt sich zuweilen, ob die Vorstellung einer friedlichen Koexistenz mit den Bären -Zitat- „nichts als eine Illusion“ sei. Am glücklichsten ist sie, wenn sie allein durch die wilde Bergwelt streift und der eigentlichen Hauptperson des Romans näherkommt.

Ihr Puls raste, ruhig bleiben, aber es dröhnte in ihrer Brust und sie hatte den Eindruck, dass ihr Herzschlag im ganzen Tal zu hören war, während sie sich auf die Bärin konzentrierte. Außergewöhnliche Statur, schwarzes Fell mit silbernem Kragen, es war tatsächlich das älteste Tier, das unter den Kollegen manchmal ‚La Negra‘ genannt wurde.

Die deutsche Übersetzung ist im Großen und Ganzen gut lesbar. Allerdings verwundert manche Wortwahl wie „sakrales Unterholz“ für „forêt-cathedrale“ oder ein „beseelter, schemenhafter Wald.“ Die ersten zwei Drittel des Romans erzählt Clara Arnaud zügig, konzentriert und mit einem guten Spannungsbogen. Vor allem die Figur des Gaspard ist gelungen. Seine Sorge um die Herde, seine Zweifel, die Veränderungen des als idyllisch konnotierten Schäferberufs und nicht zuletzt die Wetterkapriolen im Hochgebirge vor dem Hintergrund des Klimawandels - all das ist gut geschildert.

Gaspard hatte mit Schrecken beobachtet, wie das Thermometer in tausend Meter Höhe auf dreißig Grad geklettert war. Auf der Weide war man dem Klimawandel besonders ausgesetzt, und er mußte oft daran denken, dass selbst die Berge bald unbewohnbar sein würden. Das Zeitalter der tödlichen Hitze war angebrochen.

Clara Arnauds Romanstoff hat viel Potential. Aber im letzten Drittel hat sie die Handlung überfrachtet. Naturschilderungen sind oft zu detailliert, der Biodiversitäts-Fachjargon ermüdet. Die spannende Geschichte von Jules und seiner Bärin wirkt trotz mancher Querverbindung zur Haupthandlung in der Romankonstruktion etwas aufgesetzt – sie wäre einen eigenen Roman wert.


Clara Arnaud
"Im Tal der Bärin"
Aus dem Französischen übersetzt von Sophie Beese
Antje Kunstmann Verlag
352 Seiten, 26 Euro
ISBN: 978-3-95614-622-0


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 13.02.2025 auf SR kultur.

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